Der Morgen beginnt auf den gleichen Wegen, auf denen der gestrige Tag aufgehört hat. Es geht wieder gen Norden. Die sagenumwobenen Highlands rufen. Die Schönheit der Gegend ist über Nacht nicht entflohen. Nach einiger Zeit erreichen wir den ersten Haltepunkt. Carrbridge. Ein sehr kleines Örtchen, das außer einer Brücke – daher der Name – nichts aufweisen kann. Es ist aber nicht irgendeine Brücke. Der Dulnain ist zwar nur ein Bach und dennoch ist die Brücke besonders. Die Old Packhorse Bridge ist im Laufe der Jahre immer mehr eins mit der Natur geworden und ist so von Jahr zu Jahr schöner geworden. Nach genau 300 Jahren hat sie durch eine wunderbare Symbiose mit der Natur eine atemberaubende Schönheit erlangt. Aber nicht nur die Brücken sehen hier schön aus, die Natur ist auch ganz alleine atemberaubend.

Inverness
Es geht weiter zur Hauptstadt der Highlands – Inverness. Wie schon am gestrigen Tage erwähnt, komme ich bei den Highlands nicht an Macbeth* vorbei. Jener schottische König, der durch William Shakespeare eine Art der Unsterblichkeit erreicht hat. Die mittelalterliche Burg existiert zwar nicht mehr, dafür wurde an derselben Stelle im 19. Jahrhundert eine neue Burg aus rotem Sandstein errichtet – rot wie die Leidenschaft der Schotten und rot wie das Blut der schottischen Geschichte.

Wenn wir schon bei Macbeth sind, komme ich um eine weitere Angelegenheit nicht herum. Keine Sorge, danach lasse ich euch mit Shakespeare in Ruhe. Denn neben To be or not to be gibt es in Macbeth den wahrscheinlich berühmtesten Shakespeare Monolog. Ein Monolog über den Sinn des Lebens, der schon zahlreichst interpretiert und inszeniert wurde, von kleinen Theatern bis hin zu Weltstars wie Sir Ian McKellen oder Sir Patrick Stewart. Ein paar Worte, die mehr aussagen als manche Bücher. Ein paar Wörter, die einen über das Leben philosophieren lassen. Ein paar Wörter, die einen zur Verzweiflung, aber auch zur Motivation führen können.
She should have died hereafter;
Macbeth (Akt 5, Szene 5, Vers 17–28)
There would have been a time for such a word.
— To-morrow, and to-morrow, and to-morrow,
Creeps in this petty pace from day to day,
To the last syllable of recorded time;
And all our yesterdays have lighted fools
The way to dusty death. Out, out, brief candle!
Life’s but a walking shadow, a poor player
That struts and frets his hour upon the stage
And then is heard no more. It is a tale
Told by an idiot, full of sound and fury
Signifying nothing.
Nach all der humanistischen Bildung widmen wir uns wieder der Schönheit Inverness‘. So bietet die Promenade am Ness, dem Fluss, der Inverness teilt, eine wunderschöne Aussicht. Im klassisch schottischen Stil strahlen die Häuser eine wundervolle Eleganz und Schönheit aus. Und auch heute unterstützt das Wetter die Schönheit Schottlands.
Den Abschluss in Inverness bildet die St. Andrew’s Cathedral bevor es weiter nach Norden geht.


The long and winding road
Wir verlassen Inverness und der Weg nach Norden verläuft durch eine märchenhafte Natur. Mit jedem Meter, den wir weiter nach Norden fahren, wird es schöner. Ich schaue gebannt aus dem Fenster und genieße mein Glück mit jedem Meter mehr. Nach knapp einer Stunde hält der Bus wieder an. Wir haben die Black Water Falls mitten in den schottischen Highlands erreicht. Vollkommen unberührt scheint hier die Natur zu sein und das, obwohl täglich zahlreiche Reisebusse halt machen. Anscheinend hat die Natur doch einen Einfluss auf die Menschen und lässt sie demütig werden und sorgt dafür, dass sie wenigstens einmal die Natur mit Respekt behandeln und nicht verschandeln.

Es geht immer tiefer in die Natur und es wird immer schöner, bis ich endlich das Herz des Areals finde. Ein Zeugnis der rauen, unschuldigen Natur. Etwas Schwarzes durchsticht die grüne Idylle und setzt dem Ort die Krone der Schönheit auf. So wild und doch so elegant gleitet das Wasser durch die Natur.

Ich will den Ort nicht verlassen, aber ich weiß, es kann immer noch schöner werden. Ich hoffe und bete, ich werde nicht enttäuscht! Denn dieser Ort ist so unfassbar schön, da frage ich mich: Was soll noch kommen?
Nach kurzer Zeit merke ich, ja es kann noch schöner werden. Die Straßen werden immer verschlungener und die Natur wird immer schöner. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll, ich bin einfach nur verzaubert von der atemberaubenden Schönheit dieser Gegend. Bei den Straßen, wie sie sich kurvig durch die Natur gleiten lassen, muss ich instinktiv an einen der schönsten Songs aller Zeiten denken und versüße mir so selbst diesen traumhaften Ort. Ich kann die Schönheit kaum in Worte fassen und lasse sie einfach auf mich wirken.

That leads to your door
Will never disappear
I’ve seen that road before
It always leads me here
Lead me to you door

That the rain washed away
Has left a pool of tears
Crying for the day
Why leave me standing here?
Let me know the way

And many times I’ve cried
Anyway, you’ll never know
The many ways I’ve tried

To the long winding road
You left me standing here
A long, long time ago
Don’t leave me waiting here
Lead me to your door
Nach einer Weile sind wir an der nördlichen Küste Schottlands angekommen. Und die Schönheit der Insel wird auch unabhängig von der Straße fortgesetzt. Der raue kräftige Küstenwind setzt ganz andere Akzente. Aber es ist trotzdem mindestens genauso schön. Denn es gibt kaum ein schöneres Gefühl der Freiheit und Sehnsucht, als an einer schönen Klippe zu stehen und den Wind in seinen Haaren zu spüren.

Und natürlich ist keine Schottlandreise eine wirkliche Schottlandreise, wenn man nicht ein paar süße Schäfchen auf der Straße sieht. Es ist hier zwar nicht so (schön) wie in Irland, aber die kleinen putzigen Tierchen finde ich auch hier. Sie zu finden ist leicht, sie gut aus dem Bus heraus zu fotografieren eher weniger.

So wie die Schafe verlassen auch wir zeitnah die Straße und kommen zum nächsten Halt. Inverewe Garden ist nicht einfach nur ein Garten. Es ist einer der nördlichsten botanischen Gärten der Welt. Geographisch auf gleicher Höhe wie Südnorwegen oder die Hudson Bay und trotzdem kann es hier bis zu 29 Grad werden. Wie? Des Rätsels Lösung ist sehr einfach: durch den Golfstrom. Und so kann ich hier die schönsten Pflanzen Schottlands sehen. Hier finden sich aber auch Pflanzen aus Australien, Südamerika und sogar dem Himalaya. Es ist eine faszinierende Vielfalt und doch hat die Schönheit einen Makel. Es ist ein botanischer Garten. Alles hat seine Struktur und Ordnung. Die Schönheit der Vielfalt unterliegt so der Schönheit der wilden Unberührtheit der schottischen Highlands. Dennoch darf die Schönheit dieser abwechslungsreichen botanischen Sammlung auf keinen Fall unterschätzt werden. Und die große Vielzahl verschiedenster Pflanzen aus aller Welt ist auch eine Art Spiritus. Es ist ein Spiritus für die Flamme des Fernwehs, die bei mir gerade immer mehr brennt.


Wir verlassen den Garten und fahren weiter auf den ach so langen und verschlungenen Straßen. Nach einer Weile erreichen wir Little Gruinard. Dort erhascht mich ein Anblick, der an den nördlichen Küsten Schottlands natürlich nicht fehlen darf. Und so zeigen sich auch die süßen Bewohner des Meeres und verzaubern den Tag noch ein bisschen mehr.

Von unserem Halt an der Klippe kann ich auch einen Blick auf Gruinard Beach erlangen. Der Strand stellt das Kontrastprogramm zum botanischen Garten dar. Unberührt, rau und wild. Das Grün, die See und die Berge sind ein wundervoller Anblick und sind das perfekte Ende für diesen wunderschönen Tag.

Ullapool
Doch das Ende des Tages stellt Ullapool dar. Mit 1.500 Einwohnern die Metropole der nordwestlichen Highlands. Nein, ich habe keine Null(en) vergessen. Das kleine Küstenstädtchen hat sich dazu erbarmt, das typisch schottische Wetter zu zeigen. Es ist grau, es regnet und es ist kalt.


Doch der Tag endet leider nicht ganz so perfekt, wie er hätte enden sollen. Das Caledonian Hotel ist eins von 2 Hotels der Stadt und auch eines der wenigen größeren Hotels hier in der Gegend. Daher auch die Übernachtung in Ullapool. Es ist aber auch das dreckigste, kaputteste, ja schäbigste Hotel, was ich jemals gesehen habe. Der Tag hätte besser enden können. Aber so ist das Leben – Perfektion und Abschaum sind oft viel näher, als einem lieb ist.
Fazit
Was macht die Highlands eigentlich so schön und sagenhaft, wie alle immer sagen? Ist es die Geschichte, ist es Shakespeare oder doch die schöne Hauptstadt Inverness? Die Frage lässt sich leicht beantworten. Es ist nichts dergleichen. Es ist die unfassbar wunderschöne Natur. Eine unangerührte Schönheit, die für Freiheit, Sehnsucht und pures Glück steht. In den Highlands geht es nicht um einzelne Höhepunkte. Die Highlands sind ein Gesamtkunstwerk der Schönheit. Der Weg auf langen und verschlungenen Straßen ist das eigentliche Ziel der Reise. Mit jeder Kurve, die den Weg verlängert, steigt das Glück exponentiell an. Also nein, die Highlands sind nicht so sagenumwoben, wie es heißt. Sie sind tausendmal schöner!

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Die Reise erfolgte im Juli 2017
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