Ein Wal auf Island bei einer Walbeobachtungstour
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Die Faszination Islands: Wale, Vulkane und eine Geisterstadt

Geschrieben vom

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Nachdem wir gestern einen Tag der Thermenentspannung hatten und den ganzen Tag in der Sky Lagoon verbracht haben, steht heute die Walbeobachtungstour an, die vorgestern ausgefallen ist. Auch heute wird vor den rauen Bedingungen der See gewarnt. Wir bekommen beide gleich eine Tablette gegen Übelkeit in die Hand gedrückt. Wir sollen die sicherheitshalber nehmen. Ich verzichte auf die Tablette. Ich bin nicht so empfindlich, was das angeht. Außerdem bin ich Apotheker. Ich weiß, dass dieser Wirkstoff in Deutschland nicht im Handel ist, da er extrem müde macht. Meine Vorfreude, Wale zu sehen, überdeckt alle möglichen Symptome. Wir stehen am Bug. Der Ort, der am meisten schaukelt. Hier haben wir die beste Sicht auf die majestätischen Giganten. Das Boot schwankt. Nach vorne, nach hinten, nach links, nach rechts. Es dauert nicht lange, bis der Wasserschlauch zum Einsatz kommt. Ich presse meinen Oberkörper gegen die Reling. Ich habe keine Hand zum Festhalten. Meine Hände klammern sich an meine Kamera*, so wie meine Freundin sich an mich, damit ich zumindest etwas Halt habe. Mein Oberkörper beginnt zu schmerzen. Meine Augen tränen. Zwei Paar Handschuhe habe ich an. Meine dicke Wintermütze ist unter der Kapuze. Mein Gesicht ist eingewickelt. Nur meine Augen sind frei. Der eisige Wind sticht wie ein Dolch. Und der Ozean ist leer. Ein paar Möwen fliegen durch die Luft. Ich bleibe geduldig und erdulde den Schmerz.

Plötzlich die Erlösung! Wir entdecken einen Buckelwal! Eine Majestät von Tier. So gigantisch und trotzdem so elegant. Der ganze Schmerz scheint vergessen. Dieser Anblick bringt Freude und Wärme! Die Zeit vergeht wie im Flug und doch verfolgen wir eine Stunde lang den Kurs des Buckelwales. Ein Traum geht in Erfüllung. Ich kann einen Wal in freier Natur sehen. Ich bin glücklich!

Die Rückfahrt verbringen wir im warmen Inneren des Schiffs. Die meisten Reisenden liegen hier mit den Köpfen auf den Tischen. Die Nebenwirkung der Tablette war für sie zu stark. Die Kotztüten werden zum Kopfkissen umfunktioniert. Ein herrlicher Anblick! Begleitet wird das Schauspiel von einem Vortrag zum Thema Wale, Walbeobachtung und Walfang. Was ich von Walfang halte, ist bestimmt ersichtlich.

Eine Möwe fliegt über die glatte Wasseroberfläche eines stillen Ozeans.
Vogelfotografie hat auch was
Ein Buckelwal taucht in einem ruhigen Ozean auf, während ein Wasserstrahl aus seinem Blasloch austritt.
Was für ein Erlebnis!
Ein Buckelwal taucht aus dem Wasser und zeigt seine Fluke während einer Walbeobachtungstour auf dem Ozean.
Warum sollte man so eine Schönheit essen?
Ein Buckelwal taucht in einem ruhigen Ozean auf, seine Schwanzflosse ist sichtbar.
Und tschüss!

Wir sitzen im Auto und fahren Richtung Süden. Wir nehmen morgen den ersten Flug nach Deutschland. Unser geliebtes Auto müssen wir heute Abend am Flughafen Keflavik abgeben. Der geplatzte Traum meiner Freundin – die Blaue Lagune – liegt nicht unweit des Flughafens. Sie möchte ihren Traum zumindest sehen, wenn sie schon nicht darin badet. Und ich habe da noch eine andere Idee.

Wir fahren auf die Straße Richtung Blaue Lagune. Unmittelbar nachdem wir das Gefahrengebiet erreichen, vibriert unser Handy. Es ist eine automatisierte Warn-SMS, die uns meldet, dass wir in einem Vulkangebiet sind und wir wachsam sein sollen. Unsere Vorsicht scheint tatsächlich nicht unbegründet zu sein.

Überall dampft es. Das ist nicht der Vulkan. Im Land von Eis und Feuer brodelt es auf natürliche Art und Weise. Neben der Blauen Lagune liegt ein Geothermie-Kraftwerk. Der heiße Dampf wird genutzt. Die heißen Quellen speisen die Blaue Lagune auch mit der Wärme. Das blaue Wasser liefert der Boden. Schuld daran hat der Salzgehalt des Wassers. Deshalb ist es so gut für die Haut. Zumindest behaupten das die Isländer. Während ich das Dampfspektakel in der kargen Landschaft genieße, verfällt meine Freundin der Schönheit des blauen Wassers. Sie verflucht und beleidigt den Vulkan. Wenn er schon ausbricht, soll er wenigstens den Flugverkehr lahmlegen, damit sie hier länger bleiben kann. Zornig schaut sie auf den Vulkan. Meine Bemerkung, so schlimm sei es ja nicht, ich war hier bereits baden, trägt nicht zur Ermunterung bei. Sie sieht ihren blauen Traum und schwört sich, sie kommt wieder. Ich betrachte den Vulkan währenddessen und versinke in die Tiefen meiner Faszination.

Blick auf die Blaue Lagune in Island, umgeben von dampfenden geothermalen Quellen und grauem Himmel.
Ich will hier rein!
Ein schwarz-weißes Bild von einer geothermischen Landschaft mit dampfenden Hügeln, großen Rohrleitungen im Vordergrund und einer Baustelle in der Nähe.
Geothermisches Kunstwerk

„Wenn wir doch schon hier sind, dann können wir doch nach Grindavik.“, sage ich. Meine Freundin schaut mich wenig begeistert an. Über Jahrhunderte war die Sundhnúkur-Kraterkette ruhig. Seit 2023 ist sie siebenmal ausgebrochen. Im Zentrum dessen, neben der Blauen Lagune, die Ortschaft Grindavik. Sie liegt nicht weit von hier entfernt und leidet am meisten unter der feurigen Schönheit.

Wir fahren in die Stadt und erkennen sofort: Die Stadt ist tot. Keine Menschen sind auf den Straßen. Keine Lichter leuchten. Alles ist ruhig. Die Läden haben zu. Die Häuser sind zum Teil eingezäunt. Die Reparaturarbeiten vom letzten Erdbeben sind noch nicht abgeschlossen. An vielen Häusern prangt das Schild zu verkaufen. Aber wer möchte hier jetzt noch ein Haus kaufen? An jedem Schild hängt das Schicksal einer Familie. Für viel Geld wurden hier Eigenheimträume wahr, die jetzt geplatzt sind. Mutter Natur hat die Herrschaft über den Ort zurückgefordert. Vereinzelte Risse sind auf Straßen und Fassaden erkennbar. Es ist eine Geisterstadt. Überall hängen Schilder, wie der Fluchtweg verläuft. In welche Richtung die Evakuierung erfolgen soll. Sirenen hängen an Laternen. Doch es ist still. Totenstill. Einzig ein paar Touristen fahren durch den Ort. Vor einem geschlossenen Supermarkt ist eine Ausstellung. Auf mehreren Bildern wird die jüngste Geschichte des Ortes erklärt. Wir halten an und steigen aus. Wir sind die einzigen Menschen, die den Ort mit ihren Füßen berühren. Die anderen fahren im Auto vorbei. Sie betrachten die Geschichte durch die Glasscheibe, als ob sie durch Tschernobyl fahren und nicht aussteigen könnten. Dreißig Minuten haben die Menschen Zeit bis zur Evakuierung. Und unser Auto steht zehn Meter von uns entfernt. Aus der Ferne lassen sich die Bilder nicht erkennen, die Texte nicht lesen. Genau die muss man aber lesen, damit man den Ort versteht. Die Einwohner lieben ihren Ort trotz Vulkan. Herzerwärmende Geschichten werden dargestellt. Trotzdem kommt keine Freude auf. Es ist ein bedrückendes Gefühl.

Ein ruhiger Blick auf ein kleines Dorf in Island, mit mehreren Häusern im Vordergrund und einem Hügel im Hintergrund, umgeben von grauem Himmel.
Wer will hier auch Urlaub machen?
Schwarz-weiße Außenansicht eines N1-Tankstellengebäudes mit Grill und Coca-Cola-Werbung, umgeben von einer leeren Straße und kahlen Bäumen.
Living In A Ghost Town
Eine Gruppe von fünf Personen in Sicherheitsoveralls und Helmen, die in der Nähe eines Vulkans durch rauchende Lavafeldern gehen. Im Hintergrund ist eine Eruption sichtbar.
Was für ein Bild!
Eingang zu einem Netto-Supermarkt mit blauer Schrift und leeren Holzpaletten im Fenster.
Warten auf den Ausbruch
Ein Parkplatzschild vor einem beschädigten Betonboden, umgeben von Schutt und unordentlich liegenden Materialien.
Die Überreste des letzten Ausbruchs

Wir fahren Richtung Flughafen. Vorbei an den schwarzen Lavafeldern. Der letzte Ausbruch war vor fünf Monaten. Die Lava ist noch frisch und noch immer teilweise heiß. Es dampft. Die unteren Schichten kühlen langsam ab. Ich blicke aus meiner Scheibe und sehe eine schwarze Wüste. Eine Wüste der Zerstörung. Eine Wüste eines neuen Zeitalters.

Landschaft mit rauem, schwarzem Lavagestein und Hügeln im Hintergrund unter bewölktem Himmel.
Lebewohl Island!
Schwarze Lavafelder mit erdigen Hügeln im Hintergrund unter einem bewölkten Himmel.
Ich komme wieder!

Die Reise erfolgte im März 2025

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2 Antworten zu „Die Faszination Islands: Wale, Vulkane und eine Geisterstadt”.

  1. Avatar von wordsfromanneli

    Volcanos sure can devastate the land. Other than that, it’s very beautiful.

    Gefällt 1 Person

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