Das übliche Bild. Unser Tag mit einem Blick auf eine verschneite Pferdefarm. Die güldenen Strahlen der Sonne küssen sie langsam wach. Bei diesem Anblick ist der Gang durch die hohe Schneedecke zum Frühstücksbuffet eine große Freude. Das Restaurant ist bereits voll und so sitzen wir in einem Nebenraum. Mitsamt Blick auf etwas Schnee im Hinterhof ohne Sonnenstrahlen. Wir sitzen alleine in dem Raum und doch sind wir nicht alleine. Ständig kommen einzelne Reisende der asiatischen Reisegruppe in den Raum und öffnen die Tür, um den dunklen Hinterhof zu fotografieren. Mit jedem Foto kommt neuer kalter Wind in den Saal. Meine Freundin und ich betrachten voller Faszination, mit welcher Passion nach und nach dieser dunkle Hinterhof fotografiert wird. Wenig später wandern wir zurück zu unserem Bungalow und fotografieren die große helle Schneelandschaft.

Das erste Ziel des Tages ist der Háifoss. Ein Wasserfall, der wunderschön sein soll. Zumindest habe ich das in einem Buch gelesen. Der Wasserfall liegt außerhalb der touristischen Routen. Die Straßen werden schnell einsam. Während die bekannte Ringstraße täglich freigeräumt wird, fahren wir jetzt auf Straßen, die zwar befahrbar sind, aber trotzdem von einer dicken Schneeschicht bedeckt sind. Wie gut, dass wir einen Allrad haben! Die Straßen bilden eine perfekte Harmonie in der weißen Landschaft. Hier ist niemand. Ab Minute 30 kommt uns kein Auto mehr entgegen. Wir sind alleine in der atemberaubenden isländischen Prärie. Mit Schnee bedeckte Steinöde, zugeschneite Berge und ein Fluss mit Eisschollen sind das einzige, was wir sehen. Ab und an sehen wir einen kleinen Busch, aber sonst ist hier nichts. Nichts außer Schnee und unserem weißen Dacia Duster. Am Himmel ist keine Wolke. Das grelle Licht der Sonne reflektiert sich im Schnee. Hier sind keine Tiere, kaum Pflanzen. Das Einzige, was es hier gibt, sind Steine und Schnee. Diese einsame und verlassene Gegend ist aber nicht karg und langweilig. Ganz im Gegenteil. Sie ist traumschön und perfekt. Ich fühle mich wie bei einer Rundfahrt durch das Paradies. Hier könnte ich für immer verweilen. Vereinzelt gibt es Parkplätze und Aussichtspunkte am Straßenrand. Wir halten an fast allen und genießen die Aussicht. Mit tiefen Atemzügen inhalieren wir die kalte, aber zugleich tiefreine Luft und spüren das Glück in unserer Lunge.





Der Háifoss ist nur über einen kleinen steilen Feldweg erreichbar. Ich hatte beim Frühstück schon die Vermutung, dass wir nicht am Wasserfall ankommen werden. So ist es auch. Die Straße ist gesperrt. Wobei hinter dem Schild keine Straße erkennbar ist. Nach dem Gesperrt-Schild ist eine große weite weiße Fläche ohne irgendeine Markierung. Obwohl wir unser Ziel nicht erreicht haben, herrscht trotzdem keinerlei Frustration im Auto. Der Weg ist das Ziel. Eigentlich kann ich diese Phrase schon nicht mehr hören. Bei der isländischen Landschaft trifft aber jeder Buchstabe zu, so abgedroschen die Phrase auch sein mag.
Bevor wir zurückfahren, sind wir auf der Suche nach alternativen Zielen in der Gegend. Wenn man schon mal hier ist, dann können wir das auch nutzen. In der Nähe finden wir auf der Karte die Schlucht Gjáin. Wir drehen um und machen uns auf den Weg. Der Feldweg dorthin ist für Nicht-Allrad-Fahrzeuge gesperrt. Wie gut, dass wir einen Allrad haben. Ein paar Spurrillen erkennen wir in einer Schneedecke, die mehrere Dutzend Zentimeter beträgt. Langsam begeben wir uns auf den Pfad. Tief sind die Spurrinnen nicht. Es ist windig und so werden sie sich schnell wieder mit Schnee bedecken. Neben uns sind ein kleiner Bachlauf und auf der anderen Seite ein Hang. Selbst mit Allrad ruckelt es und wir kommen nur langsam voran. Unser Auto hat uns bis jetzt treue Dienste geleistet, aber am Ende des Tages ist es nur ein Dacia Duster und wir fahren durch eine Schneedecke, die fast einen halben Meter tief ist. Trotz der Anstrengung und Konzentration beim Fahren freut sich meine Freundin wie an Weihnachten. Offroad durch den Schnee fahren. Ein kleiner Traum geht bei ihr in Erfüllung. Nach ein paar hundert Metern kommt die Ernüchterung. Der Wind ist so stark, dass es keine Spurrillen mehr gibt. Der Weg ist zwar erkennbar, aber wir sinken so tief in den Schnee, dass es an der Autounterseite knarrt. Wir sind mit einem Mietwagen am Ende der Welt in tiefem Schnee. Wir sind vernünftig und kehren um. Wir wissen nicht, was unter der Schneedecke ist. Am Ende liegt da ein Stein und wir zerstören uns die ganze Unterseite. Erklär das mal der Mietwagenfirma. Von Enttäuschung trotzdem Fehlanzeige. Auf dem Rückweg hat meine Freundin umso mehr Spaß. Sie kennt jetzt die Strecke und kann das Abenteuer noch mehr genießen.
Der Hjálparfoss liegt wenig später am Wegesrand mitsamt ordentlicher Zubringerstraße und Parkplatz. So sehen wir wenigstens einen Wasserfall. Fußspuren können wir hier keine entdecken. Wir sind aber auch mehr mit dem Wind beschäftigt. Mit einer gigantischen Wucht bläst er uns ins Gesicht und wirbelt den Schnee auf. Eingemummt in Kapuze und Schlauchschal spaziere ich durch die triste Landschaft. Jetzt kommt der Abenteurer in mir zu seinem Glück. Der Wasserfall ist tiefer gelegen und so zum Glück windgeschützt.


Wir fahren wieder Richtung Golden Circle. Nach und nach werden die Straßen besser und voller. Wobei voller bedeutet, dass einem alle 5 Minuten ein Auto entgegenkommt. Wir sehen ein kleines Dorf mit einer schönen Kirche neben der Straße. Der Vorteil dieser Individualreise ist, dass wir jetzt einfach abfahren können und uns das ansehen können. Geführte Rundreisen haben ihre Vorteile, aber diese Freiheit und Individualität unserer Reise ist unschlagbar. Zehn Minuten später finden wir einen Aussichtspunkt am Straßenrand. Wir halten wieder. Totale Freiheit. Ich liebe sie!


Ein Ziel des Golden Circle haben wir gestern nicht geschafft. Die heiße Quelle war wichtiger. Das holen wir jetzt nach. Der Kerid-Krater ist ein freiliegender Vulkankrater und Teil jenes Kreises. Ich bin Feuer und Flamme. Ich liebe Vulkane. Ich finde das unfassbar faszinierend. Fairerweise muss ich gestehen, dass ich jedes Naturspektakel liebe. Die Natur unserer Erde fasziniert mich einfach. Ich bin Generalist. Ich liebe Vulkane, Berge, Ozeane, Tornados, Pflanzen, Tiere und so viel mehr. Das ist wie bei meinem Vorbild Humboldt. Er betrachtete immer das große Ganze und konnte sich für alles Natürliche faszinieren. Daher liebe ich Island auch so. Island ist ein Paradies der Naturkunde, da es so vielfältig ist. Der Kerid-Krater ist (leider?) nicht mehr aktiv. Trotzdem freue ich mich, einen echten Vulkankrater sehen und besteigen zu können. Mein Traum, einen Vulkanausbruch mit eigenen Augen sehen zu können, besteht weiter. Wenn nicht auf Island, wo sonst? In den letzten Jahren gab es immer wieder Vulkanausbrüche. Ich habe die Hoffnung, dass es wieder einen gibt. Meine bessere Hälfte ist von diesem Traum übrigens gar nicht begeistert. Warum nur?


Wir fahren vom Parkplatz und schnell merken wir, dass irgendwas nicht stimmt. Irgendwie hört sich das Auto komisch an. Irgendwas ist anders. Nach ein paar Kilometern kommt die Erleuchtung. Eine Warnmeldung erscheint am Display. Reifendruck kontrollieren. Bei den Schotterwegen und Abenteuerpfaden definitiv nichts Ungewöhnliches. Das denke ich mir zumindest als Beifahrer. Die Fahrerin des Autos hat da wesentlich mehr Sorgen und wird nahezu panisch. Was, wenn wir die 5 Kilometer bis zur Tankstelle nicht schaffen? Wir schaffen sie am Ende vollkommen entspannt und können den Reifendruck anpassen. Das einzige Problem: Die Warnmeldung will nicht weggehen. Laut Handbuch muss man nur den 0,0-Knopf drücken. Der fehlt in diesem Modell aber. Die Panik steigt in meiner Freundin wieder auf. Was wenn… Auf mein jetzt fahr einfach los, wird nur mit Trotz und (liebevollem) Zorn geantwortet. Ich kann mich durchsetzen. Und dann die Warnmeldung wegklicken. Dafür musste nur der Motor an sein. Youtube-Tutorials sei Dank.
Island brodelt. Das habe ich schon öfters erwähnt. Die heißen Quellen dienen aber nicht nur dazu, die Sicht zu vernebeln oder unseren Hintern in heißen Quellen zu erwärmen. Der heiße Wasserdampf wird auch sinnvoll genutzt. Zur Stromerzeugung, zur Warmwassererzeugung oder für Gewächshäuser. Es gibt in Island Tausende Gewächshäuser, die das Land am Ende der Welt mit frischem Obst und Gemüse versorgen. So werden hier sogar Bananen angebaut. Kleiner Spoiler: Sie schmecken nicht.

Aber die heißen Quellen werden auch wieder für unseren Hintern genutzt. So lassen wir den Tag in der Secret Lagoon, einer Geothermie-Therme ausklingen und genießen das heiße Wasser. Einziger Wermutstropfen ist, dass ich mir in der Therme fast den Fuß breche. In der Umkleidekabine fällt mir die volle 2-Liter-Wasserflasche aus dem Rucksack mit der Spitze voran auf den nackten Fuß. Mann tut das weh!

In der Dämmerung erreichen wir Hveragerði. Wir gehen noch etwas essen und in der Dunkelheit fahren wir zur Unterkunft. Der dunkle Nachthimmel ist klar und leer. Wir gehen schlafen und stellen uns den Wecker. Nach 2 Stunden klingelt es. Einer der Gründe, warum wir im März auf Island sind, sind die Polarlichter. Laut isländischem Wetterdienst haben wir heute gute Chancen, sie zu sehen. Gestern und vorgestern gingen wir noch leer aus. Beim Gang aus der Hütte sehen wir es tanzen. Grüne Streifen tanzen und schwingen durch den Nachthimmel. Da sind sie! Der eiskalte Wind, der uns entgegenpeitscht, verfällt in den Hintergrund. Ich konnte letztes Jahr zwar in Hessen ein paar Nordlichter sehen, aber das ist kein Vergleich zu der Farbintensität dieses Spektakels. Wir stehen lange in der Kälte und genießen so den perfekten Abschluss des Tages, der sich nicht in Worte packen lässt.


Die Reise erfolgte im März 2025

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