Neuer Tag, gleiches Bild. Möwen fliegen vor einem strahlend blauen Himmel. Die Sonne lähmt das alltägliche Leben und eine kleine Horde Touristen wartet am Hafen von Lipari. Neuer Tag, neue Inselerkundung. Nach Lipari, Stromboli, Alicudi und Filicudi ist heute Vulcano an der Reihe. Vom Namen her, jetzt schon ohne Frage meine Lieblingsinsel. Gott, wie ich Vulkane liebe! Ich strahle über beide Ohren hinaus und nehme die Hitze freudvoll in Kauf.
Das Boot schaukelt. Im Fahrtwind wirkt die Hitze wie vergessen. Wieder werden einige Mitreisende diese tückische Gefahr unterschätzen und rot und nicht braun zurück auf Lipari ankommen. Hinter mir ergibt sich ein traumhaft schöner Anblick über Lipari. Das viel Schönere ist aber direkt vor meinen Augen. Vulcano! Ein großer Kegel breitet sich vor mir aus. Der Name der Insel spricht Bände. Die Insel ist nahezu ein ganzer Vulkankrater. So stelle ich mir ein Naturwunder vor und so ist es auch. Ich muss mich zwicken, denn ich könnte meinen, ich träume!


Bevor ich diese majestätische Schönheit aber betreten darf, steht die obligatorische Umfahrung der Insel an. Wieder begeistern mich die bunten Steinklippen und wieder versteht mich niemand an Deck. Sie blicken alle nur auf den eintönigen blauen Ozean, während das wahre Leben in den Steinen auf der Seite des Decks liegt. Wir ankern. Vor uns eine Grotte. Angeblich sollen hier Seepferdchen leben. Das Einzige, was hier gerade lebt, sind die Touristen, die die Chance haben, im strahlend kristallklaren Wasser zu baden.


Frisch gebadet geht die Rundfahrt entlang der Insel weiter. Trotz zehrender Hitze erstrahlt die Insel in sattem Grün. Ein paar alte Häuser durchbrechen das Grün. Ein Betonklotz namens Leuchtturm wirkt so, als sei er am falschen Ort, dabei steht er hier genau richtig. Eine brutale Betongewalt passt doch eigentlich zur brutalen Kraft eines Vulkans. Doch den Vulkan vergesse ich bei der grünen Harmonie der Weinreben fast. Die einsame Meerjungfrau passt da besser in das Bild.



Der Gang an Land der Insel sticht in der Nase. Schwefel. Es stinkt nach Schwefel. Die Nase kitzelt. Das Atmen wird langsamer und auch die Haut signalisiert Achtung. Irgendwas ist hier anders. Das Kribbeln hält nur kurz. Die Nase gewöhnt sich an den Geruch und nach wenigen Minuten merken wir ihn gar nicht mehr. Das Gute am Schwefel ist, dass die Steine schön gelb leuchten. Die meisten Gäste des Bootes ärgern sich trotzdem über den Schwefel und den Gestank. Ich freue mich darüber, ein geologisches Schauspiel entdecken zu können und erinnere mich zurück an die isländischen Schwefelquellen Anfang des Jahres. Theoretisch gibt es auf der Insel auch heiße Quellen zum Baden. Nur sind diese aktuell zu heiß und zu schweflig. Wir müssen daher wohl mit dem Mittelmeer vorliebnehmen. Aber bevor wir baden, gibt es noch eine Inselrundfahrt. Ich will ja meinen Vulkan noch besser sehen. Was für ein Abenteuer!


Die Insel wirkt außerhalb des Hafens wie leer gefegt. Gar trostlos. Wenige Menschen, Autos oder Tiere sind auf den Straßen und Wiesen unterwegs. Als würde der Vulkan die Insel lähmen, dabei muss niemand wirklich Angst vor einem Ausbruch haben. Aber durch schlechte Luft, Schwefelgestein und eine bedrohliche Kulisse scheint der Vulkan trotzdem die Menschen zu vertreiben. Tourismus gibt es hier zwar auch, aber nicht so viel wie auf Lipari oder Stromboli. Die Insel wirkt karg und hart. Nahezu verbittert. Aber vielleicht ist das der Grund, warum ich mich instinktiv in diese Insel verliebt habe. Diese Lebensfremde, diese Übermacht der Natur und diese Rauheit haben es mir angetan, in dem Moment, als ich die Insel vom Wasser aus erkannt habe. Die Steine wirken hier kantiger als auf Stromboli. Dabei sind es wahrscheinlich die gleichen. Die Wiese wirkt ausgestorbener, dabei ist sie die gleiche wie auf Filicudi. Über der Insel schwebt die Aura des Abenteuers, des Unentdeckten, des Lebensfremden. Als sei die Insel nicht irdisch. Als würde der römische Gott Vulcanus persönlich hier auf der Insel verweilen und die Menschen vertreiben wollen. Und während viele mit der Insel hadern, blühe ich in der Lebensabstoßung auf.

Wir fahren zu zwei Aussichtspunkten. Alle blicken in die Ferne und auf die Hügel unterhalb der Aussichtspunkte. Aber ich drehe mich lieber um und betrachte diese Insel. Meine Insel, die mich so in den Bann gezogen hat.


Es folgt ein letzter Fotostopp. Eine einsame Bank mit einem Baum am Rande einer Bergstraße. Der Kleinbus hält und ich steige aus. Vor mir das Paradies. Ein freier Anblick auf einen Vulkankrater. Es ist nach den isländischen Vulkanen und dem Stromboli ein weiterer Krater für mein Vulkanjahr 2025. Der Vulkan liegt so frei, so unschuldig vor mir. Ich bin im Elysium. Ich fühle mich so, als hätte ich einen Hitzschlag, dabei ist es nur pure Ekstase. Ich bin glücklich. Ich genieße jede Sekunde des Anblicks und behalte ihn für immer tief in meinem Herzen.

Wir fahren zurück zum Hafen. Am Schwefelstrand mieten wir uns eine Liege und gehen baden. Nach einer Stunde zeigt die Insel, warum ich sie so liebe. Ihre lebensverachtende Ader zieht auf und ein kleiner Sturm zieht auf. Der Himmel wird dunkel und die Hitze erlischt. Wir kuscheln uns in die Handtücher auf der Liege und ich bin glücklich. Die Natur triumphiert über den Menschen.

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5,00 €
Die Reise erfolgte im Juni 2025



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