Auf den Spuren der Freiheit

Es ist September. Das heißt, wir haben wieder den besten Reisemonat des Jahres. An diesem 21. September 2021 steige ich mal wieder aus einem Zug. Das Ziel heute: Neustadt an der Weinstraße. Das Wetter ist traumhaft. Die Sonne scheint und die ganze Welt scheint glücklich zu sein. Es ist der perfekte Tag für eine kleine Geschichtsstunde.

Streng genommen befinden wir uns gar nicht in der Innenstadt von Neustadt an der Weinstraße, sondern im Stadtteil Hambach. Der liegt etwas abgelegen und ich muss erst einmal eine kleine Weile mit dem Bus hinfahren. Hambach ist ein sehr hügeliges Viertel. Der Bus legt mehr Höhenmeter als Fahrtstrecke zurück. Dann erreiche aber auch ich endlich diesen Hügel. Um zur Spitze des Hügels zu gelangen, muss ich durch den Wald. Eine etwas anstrengende, aber sehr schöne Route. Es ist auch eine sehr bekannte Route, denn so sind diesen Weg schon viele Menschen vor mir gelaufen. Im Jahre 1832 tummelten sich die Massen auf den Waldwegen, denn ihr Ziel war das Hambacher Schloss.

Der Weg zur Freiheit

Das Hambacher Schloss ist einer der wichtigsten Orte in der deutschen Demokratie- und Freiheitsbewegung. Um das berühmte Hambacher Fest im Jahre 1832 soll diese Geschichtsstunde gehen.

„Es lebe das freie, das einige Deutschland. Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete. Hoch leben die Franken [gemeint sind die Franzosen] der Deutschen Brüder, die unsere Nationalität und Selbstständigkeit achten. Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört! Vaterland, Volkshoheit, Völkerbund Hoch!“

Der Ursprung einer jeden guten Protestbewegung oder gar einer Revolution liegt immer in Frankreich. Während wir Deutsche ja nicht gerade für unsere Revolutionen, Proteste und Demos bekannt sind, gehört das in Frankreich ja zum guten Ton. Den Anfang hat aber wahrscheinlich ein anderer Franzose gemacht. Napoleon Bonaparte. Durch seine Eroberungen der deutschen Lande kam das wahrscheinlich erste Mal flächendeckend eine Art „deutsches Nationalbewusstsein“ in den deutschen Landen auf. Denn man muss wissen, dass es vor 200 Jahren noch gar kein geeintes Deutschland gab, sondern nur ganz viele kleine oder auch größere Staaten auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Auch der Gedanke der Freiheit wurde durch die Befreiungskriege gegen Napoleon in Deutschland populärer. Die alte Ordnung hielt aber nicht viel davon. 1817 (2 Jahre nach dem Ende Napoleons) fand das Wartburgfest statt. Das war eines der ersten Freiheitsfeste in Deutschland. Laut, chaotisch und unorganisiert war es zwar, aber der Anfang war gemacht, selbst wenn die Unterdrückung danach stärker wurde.

„Darum, deutsche Patrioten, wollen wir die Männer wählen, die durch Geist, Feuereifer und Charakter berufen sind, das große Werk der deutschen Reform zu beginnen und zu leiten; wir werden sie leicht finden und dann auch durch unsere Bitten bewegen, den heiligen Bund sofort zu schließen und ihre bedeutungsvolle Wirksamkeit sofort zu eröffnen. Dieser schöne Bund möge dann das Schicksal unseres Volkes leiten; er möge unter dem Schirme der Gesetze den Kampf für unsere höchsten Güter beginnen, er möge unser Volk erwecken, um von innen heraus, ohne äußere Einmischung, die Kraft zu Deutschlands Wiedergeburt zu erzeugen; er möge auch zu gleicher Zeit mit den reinen Patrioten der Nachbarländer sich verständigen, und wenn ihm Garantien für die Integrität unseres Gebietes gegeben sind, dann möge er immerhin auch die brüderliche Vereinigung suchen, mit den Patrioten aller Nationen, die für Freiheit, Volkshoheit und Völkerglück das Leben einzusetzen entschlossen sind. Hoch! dreimal hoch leben die vereinigten Freistaaten Deutschlands! Hoch! dreimal hoch das conföderirte republikanische Europa! [sic]“

So, und jetzt haben wir das Jahr 1830. Wir sind wieder in Frankreich. Es gibt mal wieder eine Revolution. In Frankreich findet die Julirevolution statt und zum x-ten Mal wird in Frankreich die Republik ausgerufen. Dieser Funken löst ein Lauffeuer aus. Schnell gibt es in ganz Europa Proteste und Revolutionen. So wird in dieser Zeit auch mein geliebtes Belgien unabhängig. Polen war zu dieser Zeit mehr oder weniger von Russland besetzt und nicht unabhängig. Die Polen riefen zur Revolution, doch die Armee des Zaren war stärker. Die Polen mussten fliehen und brauchten Asyl. In den 1830er war es für Frankreich natürlich vollkommen normal, Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Die Polen flohen in die Französische Republik und verbreiteten die Funken der Freiheit in Deutschland. Und so kam die Deutsche Demokratie- und Freiheitsbewegung in den Schwung. Daher auch die Verehrung Polens am Anfang der Rede.

„Armes Volk! Du stehest und staunest und kannst es nicht fassen, wie man den Arbeitsschweiß eines ganzen Volkes durchbringen könne. Aber blicke nur in deine so gepriesene Verfassungsurkunde, und sie selbst wird dir das schauerliche Rätsel lösen. […] Hier, verhöhntes Volk, ist es dir gesagt: Schaffen, von seiner Hände Arbeit ehrlich sich ernähren – das, das ist […] bürgerlich, aber nicht adelig, das schändet, das raubt vielmehr den Adel. Adelig ist nur, sagt deine Konstitution, bequem, reich, vornehm, üppig leben – von fremdem Schweiße.“

Das Fest war ein kleiner Erfolg, doch Demokratie, Freiheit und ein deutscher Nationalstaat waren nicht die Folge des Festes. Noch härtere Repressionen waren die Folge. Aber der Stein der Freiheitsbewegung kam in Hambach ins Rollen. Ganze 16 Jahre später (der Deutsche braucht eben seine Zeit) kam es in Deutschland sogar zur Revolution. Erfolgreich war sie nur leider nicht. Wir sind eben kein Volk der Revolution. Die einzige Ausnahme in der deutschen Geschichte ist wohl die friedliche Revolution von 1989/90.

„Der Zorn der Könige und Fürsten viele unter uns treffen wird.“

Und während manche Menschen in der Bundesrepublik auf beiden Seiten des Hufeisens jetzt an das Hambacher Fest als Akt des Nationalismus denken, so haben sie recht und gleichzeitig auch nicht. Ja, Hambach war nationalistisch. Das Ziel war ein deutscher nationaler Einheitsstaat. Man muss nur den historischen Kontext betrachten. Deutschland als Staat existierte nicht. Es gab aber eine deutsche Kultur und ein deutsches Wertesystem. Man wusste, dass man zusammen in der deutschen Gemeinschaft stärker ist. Positiv patriotisch war Hambach also aber nicht nationalistisch im negativen Sinne. Die Hambacher von damals wären heute die, die das vereinigte Europa fordern. Denn auch wir Europäerinnen und Europäer haben eine gemeinsame Werteunion und sind zusammen stärker als alleine.

„Europa ist unsere Zukunft, sonst haben wir keine.“ – Hans-Dietrich Genscher

Und wenn heute Menschen sagen, dass man nicht mehr alles sagen dürfe (während sie genau das frei sagen), dann sollen sie erinnert werden an diese Tage. Denn die Studenten aus Hambach konnten zwar sagen, was sie wollten, doch waren sie nicht frei. Denn wer Kritik am Staat übte, der wurde bestraft. Man bezahlte für seine freie Zunge mit dem Gefängnis. Während heute man den Staat als Diktatur beleidigen kann und nicht im Gefängnis landet. Hambach soll daher vielleicht auch eine Erinnerung sein, wie gut es in unserer Demokratie geht. Denn wir haben sie jetzt – die Freiheit, das höchste Gut auf Erden.

„Die Freiheit besteht darin, daß man alles das tun kann, was einem andern nicht schadet.“

Heute ist Hambach eine Erinnerung an die Vergangenheit aber auch ein Auftrag an die Zukunft. Das Ziel ist die Freiheit, das ist klar.

Und wo kann man die Freiheit besser finden als im Wald? So liegt das Schloss schön im grünen Wald und so am idealsten Platz der Freiheit.

Liberty is not a means to a higher political end. It is itself the highest political end.“ – Lord Acton

Am Rande sei noch erwähnt, dass passend für eine Stadt der Freiheit und Studenten Neustadt an der Weinstraße eine Weinstadt ist. Wein, Studenten und Freiheit ist schließlich eine altbekannte Kombination.

„Es lebe die Freiheit, es lebe der Wein!“ – J. W. Goethe

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2 Kommentare zu „Auf den Spuren der Freiheit

  1. Zu der Fluch der Polen nach Frankreich gibt es ein sehr gutes Gedicht von Heinrich Heine. Zwei Ritter. Echt lesenswert.

    Zwei Ritter
    Crapülinski und Waschlapski,
    Polen aus der Polackei,
    Fochten für die Freiheit, gegen
    Moskowiter-Tyrannei.

    Fochten tapfer und entkamen
    Endlich glücklich nach Paris —
    Leben bleiben, wie das Sterben
    Für das Vaterland, ist süß.

    Wie Achilles und Patroklus,
    David und sein Jonathan,
    Liebten sich die beiden Polen,
    Küßten sich: »Kochan! Kochan!«

    Keiner je verriet den Andern,
    Blieben Freunde, ehrlich, treu,
    Ob sie gleich zwei edle Polen,
    Polen aus der Polackei.

    Wohnten in derselben Stube,
    Schliefen in demselben Bette;
    Eine Laus und eine Seele,
    Kratzten sie sich um die Wette.

    Speisten in derselben Kneipe,
    Und da keiner wollte leiden,
    Daß der Andre für ihn zahle,
    Zahlte keiner von den Beiden.

    Auch dieselbe Henriette
    Wäscht für beide edle Polen;
    Trällernd kommt sie jeden Monat,
    Um die Wäsche abzuholen.

    Ja, sie haben wirklich Wäsche,
    Jeder hat der Hemden zwei,
    Ob sie gleich zwei edle Polen,
    Polen aus der Polackei.

    Sitzen heute am Kamine,
    Wo die Flammen traulich flackern;
    Draußen Nacht und Schneegestöber
    Und das Rollen von Fiakern.

    Eine große Bowle Punsch
    (Es versteht sich, unverzückert,
    Unversäuert, unverwässert)
    Haben sie bereits geschlückert.

    Und von Wehmut wird beschlichen
    Ihr Gemüte; ihr Gesicht
    Wird befeuchtet schon von Zähren,
    Und der Crapülinski spricht:

    »Hätt ich doch hier in Paris
    Meinen Bärenpelz, den lieben
    Schlafrock und die Katzfell-Nachtmütz,
    Die im Vaterland geblieben!«

    Ihm erwiderte Waschlapski:
    »O du bist ein treuer Schlachzitz,
    Denkest immer an der Heimat
    Bärenpelz und Katzfell-Nachtmütz.

    »Polen ist noch nicht verloren,
    Unsre Weiber, sie gebären,
    Unsre Jungfraun tun dasselbe,
    Werden Helden uns bescheren,

    »Helden, wie der Held Sobieski,
    Wie Schelmufski und Uminski,
    Eskrokewitsch, Schubiakski,
    Und der große Eselinski.«

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