Tag 23 – Schreckliches Wasser und leckeres Bier

Ein frisch bestandenes Staatsexamen und ein Interrail Ticket für einen Monat: Darum geht es in der Reihe Mein Monat. Bevor du diesen Beitrag liest, ist es vielleicht sinnvoll, erst die vorherigen Beiträge zu lesen.

Sonntag, 23. Oktober 2022 – Tag 23

Nochmal kurz umdrehen funktioniert ja leider irgendwie nie. Es ist 7:50 Uhr, als mein Wecker klingelt. Mein Zug fährt um 8:38 Uhr. Also drehe ich mich noch einmal kurz um. Und schon ist es 8:15 Uhr. Das Problem zum Bahnhof braucht man ca. 20 Minuten. In sehr sehr schnellem Schritt geht es dann für mich zum Bahnhof.

Auf dem Weg zum Bahnhof sehe ich dann auf dem Boden die Überreste der wilden samstagnächtlichen Partys verteilt. Die Stadtreinigung ist aber schon fleißig am Arbeiten. Die harte Arbeit soll hier auch nicht ungewürdigt untergehen.

Den Zug schaffe ich zum Glück noch, wobei das Konzept von einem Bahnsteig mit 4 verschiedenen Zügen zwar effizient, aber sehr verwirrend ist.

Es fühlt sich gar nicht so an, als sei dies mein letzter richtiger Tag. Ich habe mich gerade so an alles gewöhnt und eine Routine in der Nicht-Routine aufgebaut. Ich kann – oder besser gesagt ich will – einfach nicht glauben, dass es bald zu Ende ist.

Wenigstens ist das Wetter heute wieder etwas besser. Die Moldau liegt noch etwas vernebelt in der Morgenruhe. Der Nebel wird aber nach und nach von den Strahlen der Sonne durchbrochen. Das und die kleinen Dörfer am Rande des Flusses sind ein wirklich malerischer Anblick. Die sonnendurchstrahlten Häuser wechseln sich immer wieder mit den vernebelten Wäldern ab. Die Landschaft ist ein einziges Gemälde. Empfang hat man hier übrigens keinen, bei dieser magischen Kulisse ist das aber fast besser so. Ein kleines Häuschen neben der Bahnstrecke räuchert und der Duft geht auch in den Zug. Der Zug hat so ein herrliches Raucharoma. Der Zug schlendert durch die unberührte Natur Tschechiens und duftet von innen und außen. Wobei die Toxizität der polyzyklischen Kohlenwasserstoffe aus dem Rauch Teil meines Staatsexamens waren. Aber da sehe ich jetzt drüber hinweg und genieße lieber mit all meinen Sinnen meine Reise.

Der Bahnhof liegt etwas abseits der Stadt. Mein Tag beginnt so mit einem schönen langen Herbstspaziergang durch Marienbad, wo mich güldene Blätter feierlich begrüßen.

Begrüßung

Die güldenen Blätter, der Ort, die Menschen oder auch der Ginkgo strahlen eine perfekte Ruhe aus. Der Ort ist die pure Sonntagsharmonie. Der lange Weg zum Stadtkern stört nicht, wenn der Weg ein so schöner beruhigender Spaziergang ist.

Harmonie
Sonntagsspaziergang

Natürlich hat jeder berühmte Kurort ein berühmtes Kurhotel. Das Schlosshotel interessiert mich aber weniger als der Kurpark. In Marienbad waren zwar schon Könige, Dichter, Musiker und sonstige Vertreter der High Society, aber das viel wichtigere und schönere ist der große Kurpark. Kuren war im 19. Jahrhundert zwar mehr Networking als Erholung. In der Marienbader Natur findet sich aber auch Ruhe und Entspannung. Einen berühmten Kurgast möchte ich aber schon einmal erwähnen. Richard Wagner war hier für einige Zeit zu Gast. Hier fand er die Inspiration für seinen Lohengrin und seine Meistersinger.

Das LinkedIn des 19. Jahrhunderts

Natürlich hat das Heilbad Marienbad auch eine Quelle mit Heilwasser. Die Wirkung kann ich nicht beurteilen, ich kann nur sagen, dass das Wasser scheußlich schmeckt.

Die Quelle allen Lebens

In den Arkaden der Marienbader Kurhalle finde ich übrigens mehr Deutsche als Einhemische. Der Ort scheint ein beliebtes Ausflugsziel für uns Deutsche zu sein. Aber bei der Nähe bietet sich das auch mehr als an. Ich versuche trotzdem nicht als deutscher Tourist aufzufallen.

Heimspiel
Sonntagsausflug

Einen berühmten Gast der Stadt habe ich bis jetzt aber noch nicht erwähnt. Johann Wolfgang von Goethe war mehrfach in der Stadt. Er war nur wenige Male hier, hat aber trotzdem die Stadt fest in sein Herz geschlossen. Das liegt aber auch an Ulrike von Levetzow. Die fast 50 Jahre jüngere Dame hatte einen ganz festen Platz in seinem Herzen, so hat er ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht. Doch leider blieb seine Liebe unerfüllt. Seine Gefühle bleiben in der Marienbader Elegie für uns aber erhalten.

In unsers Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträtselnd sich den ewig Ungenannten;
Wir heißen’s: fromm sein! – Solcher seligen Höhe
Fühl’ ich mich teilhaft, wenn ich vor ihr stehe.
Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
Der ich noch erst den Göttern Liebling war;
Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
So reich an Gütern, reicher an Gefahr;
Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde.

In der warmen Sonne ist Marienbad ein wahrer Ort der Ruhe und Entspannung. Die Bäume leuchten. Der Duft von Holzfeuer und Geräuchertem liegt in der Luft. Alles ist so schön ruhig und perfekt. Doch der baldige Abschied macht den Tag bittersüß.

„Die Natur versteht gar keinen Spass, sie ist immer wahr, immer ernst, immer strenge, sie hat immer Recht, und die Fehler und Irrtümer sind immer des Menschen.“ – JWG

Ich sitze wieder im Zug. Wie so oft in den letzten Tagen sitze ich im Zug. Die Natur rauscht an mir vorbei. In der Natur kommen die vielen Wälder und die kleinen Flüsse viel besser zur Geltung. Vereinzelt sehe ich Camper, doch was bleibt, ist die Natur.

Ich steige nicht am Pilsener Hauptbahnhof aus, sondern an einem kleineren Bahnhof am Rande der Stadt. Ich laufe durch die Straßen der tschechischen Großstadt. Die Straßen der Stadt sind groß und doch sind sie menschenleer. Ein paar Autos sind unterwegs, doch andere Fußgänger finde ich fast gar nicht. Für eine Großstadt ist es so erstaunlich ruhig, leise und friedlich.

Als erstes kreuzt das Pilsener Opernhaus meinen Weg. Das Opernhaus ist jetzt kein besonderes Opernhaus, aber der kleine Park dahinter macht den Ort noch etwas besinnlicher. Die Rusalka Statue im Park sorgt dann endgültig für eine märchenhafte Stimmung.

Silberner Mond du am Himmelszelt,
strahlst auf uns nieder voll Liebe.
Still schwebst du über Wald und Feld,
blickst auf der Menschheit Getriebe.
Oh Mond, verweile, bleibe,
sage mir doch, wo mein Schatz weile.
Sage ihm, Wandrer im Himmelsraum,
ich würde seiner gedenken: mög‘ er,
verzaubert vom Morgentraum,
seine Gedanken mir schenken.
O leucht ihm, wo er auch sei,
leucht ihm hell, sag ihm, dass ich ihn liebe.
Sieht der Mensch mich im Traumgesicht,
wach‘ er auf, meiner gedenkend.
O Mond, entfliehe nicht, entfliehe nicht!

Weiter geht es zu einem besonderen Ort der Stadt. Es geht für mich zur Synagoge der Stadt. Es ist wirklich ein besonderer Ort, da ich bis jetzt nur zweimal in meinem Leben (in Essen und in Krakau) in einer Synagoge war. Der Ort ist wichtig, denn er ist Ort der Begegnung und ein Ort des Austauschs. Auch nach 80 Jahren darf die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten, denn wer denkt es könnte sich nicht mehr wiederholen, der irrt.

„Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ – Talmud
Solange der Mensch lebt, hat er Hoffnung.“ (Jeruschalmi Berachot 89)

Die Straßen Pilsens sind natürlich auch weiter am Nachmittag wie leer gefegt. Selbst der Marktplatz der Stadt ist ruhig. Gehetzt oder gestresst kann man sich hier einfach nicht fühlen. Die Stadt lädt einfach zum durchbummeln ein. Es ist ein würdiger Abschied für das Land.

Weltenbummler
Natürlich darf die Kirche nicht zu kurz kommen!

Die Stadt hat übrigens wirklich sehr schöne Straßen. Sie sind breit, die Häuser sind alt und sehen schön aus und manchmal habe ich sogar Glück und die Häuser sind bunt. Und sie sind eben so schön leer!

Buntes Pilsen

Ich bin ja eigentlich kein Bier Fan. Eigentlich. Denn in der Hauptstadt des Bieres muss es sein. Ich gönne mir an einer der bekanntesten Brauereien Europas ein Pils und zwar ein Original Pilsener Pils.

Prost

Im Zug erleuchten dann die letzten Strahlen der Sonne die wunderschöne Natur. Die Bäume, Flüsse, Dörfer und Menschen ziehen an mir vorbei und ich kann noch immer nicht realisieren, dass es jetzt (fast) das Ende ist.

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7 Kommentare zu „Tag 23 – Schreckliches Wasser und leckeres Bier

  1. Da kann ich dir nur zustimmen. Das tolle Bier hab ich auch schon verkostet: https://sinnlosreisen.wordpress.com/2021/09/24/ein-pils-in-pilsen/
    Und das schreckliche Wasser gibt es auch im Nachbarort Karlsbad: https://sinnlosreisen.wordpress.com/2021/10/08/sinnlose-orte-die-die-welt-nicht-braucht-karlsbad/

    Schade, dass dein Bericht jetzt wohl dem Ende zu geht. Bist ja ganz schön rumgekommen…
    Viele Grüße vom SinnlosReisenden

    Gefällt 1 Person

    1. Ich frage mich, ob es ein Heilbad gibt, wo das Wasser auch schmeckt… Ich bezweifle aber, dass es eins gibt. Anscheinend schmeckt das Wasser überall scheußlich und das Bier besser.

      Dieser Reisebericht neigt sich leider wirklich den Ende zu, aber zum Glück gab es seit der großen Reise schon viele neue Eindrücke und Reisen. Und für ein paar alte Geschichten bin ich auch noch meiner Chronistenpflicht schuldig.
      Viele Grüße vom Sehnsuchtsbummler

      Gefällt 1 Person

  2. Ich hatte das Glück (?), die Heilwässerchen ebenfalls zu verkosten. Der Geschmack brachte das Bild eines nicht entkalktes Wasserkochers vor mein inneres Auge. Aber es soll ja nicht schmecken, sondern heilen… oder so 🙂 Worüber wirst du wohl schreiben, jetzt, wo die Reise sich dem Ende zuneigt? Aber ich habe in den Kommentaren schon gelesen, dass es weitere Reiseeindrücke gibt, ich bin auf weitere Berichte gespannt.

    Thema Rauch im Zug, Toxizität und so… manchmal ist das Nichtwissen ein Segen 😉

    Gefällt 1 Person

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