Tag 22 – Böhmische Dörfer, Knochen und noch mehr Kirchen

Ein frisch bestandenes Staatsexamen und ein Interrail Ticket für einen Monat: Darum geht es in der Reihe Mein Monat. Bevor du diesen Beitrag liest, ist es vielleicht sinnvoll, erst die vorherigen Beiträge zu lesen.

Samstag, 22. Oktober 2022 – Tag 22

Auch heute sind die Straßen Prags wieder verregnet. Den Weg zum Bahnhof kann ich schon fast auswendig. So wie die Straßenbahnen sind auch die Züge noch aus älteren Zeiten. Im Zug laufen dann die Tropfen des Regens die Scheibe hinunter und die tschechische Natur liegt ungestört im grauen und verregneten Nebel.

Das erste Ziel des Tages heißt Kutná Hora. Der Bahnhof liegt außerhalb der Stadt, aber zum Glück ist ein Bus ins Stadtzentrum in meinem Ticket enthalten. Dieser Bus wird allerdings als RE in der Interrail App angezeigt. Eine größere englischsprachige Interrail-Gruppe ist daher auch etwas verwirrt, ehe sie es wagen einzusteigen. Es regnet mittlerweile zwar nicht mehr, aber diesig ist es trotzdem noch ein bisschen. Die Straßen sind leer gefegt. Viele Schaufenster stehen leer und wirkliches Leben kann ich auch nicht erkennen. Eine kleine Kirche steht gerade leer und wird renoviert, aber sonst scheint hier alles still zu sehen. Die 20.000 Bewohner der Stadt scheinen alle noch zu schlafen. Es ist das perfekte böhmische Dorf.

Böhmische Dörfer

Das kleine Dorf hat aber auch eine Kathedrale. Die Kathedrale der Heiligen Barbara thront am Rand einer städtischen Klippe voller Weinreben. Im düsteren Nebel des frischen Morgens gibt die Kirche ein Bild für die Ewigkeit ab. Der Kontrast der riesigen Kirche zum kleinen Dorf könnte nicht größer sein.

Vernebeltes Tschechien
Barbara ich komme!

Die Kirche selbst ist gigantisch groß, erstaunlich leer von innen, natürlich wieder gotisch und auch dunkel. Diese große weite Leere der Kathedrale hat etwas ganz Besonderes.

Was ist schon Gerechtigkeit?

Ich wandere noch ein bisschen im Regen bei 9 Grad durch die leeren Gassen des Dorfes, das natürlich wieder UNESCO-Welterbe ist. Mein Ziel liegt aber etwas außerhalb der Stadt und ist das eigentliche Highlight der Stadt.

Welterbe in Grau

Mein Ziel liegt im Ortsteil Sedlec. Dort steht die kleine Allerheiligenkirche. Auf dem ersten Blick ist sie nicht mehr als eine kleine Kirche. Trotzdem ist die Kirche europaweit bekannt. Unter ihr befindet sich nämlich das Ossarium von Sedlec. Mehr als 40.000 Knochen von über 10.000 Personen sind hier untergebracht und wurden kunstvoll drapiert. Obwohl es eigentlich ein düsterer und makaberer Anblick ist, so ist es doch auch irgendwie ein faszinierender Anblick.

Everything dies, baby, that’s a fact
But maybe everything that dies some day comes back
Wer braucht schon Steine als Baumaterial, wenn es Knochen gibt

Sedlec hat übrigens auch noch ein Kloster, was allerdings leider nicht ganz so imposant ist wie der Rest der Stadt.

Und noch eine Kirche mehr

Im Regen laufe ich dann zum Bahnhof und warte auf meinen Zug und auf besseres Wetter. Mein Zug kommt, der Regen bleibt. Im Ruheabteil der Bahn ist das Wort Ruhe wieder ein Fremdwort, aber das kenne ich ja schon. Nachdem ich die ganze Zeit in Böhmen unterwegs war, fahre ich jetzt nach Brünn – der Hauptstadt der Region Mähren.

Ich habe noch immer Spaß auf dieser Reise und ich finde es auch schön hier, aber die feurige Flamme der Reiselust aus Italien ist nicht mehr wirklich da. Nur liegt das jetzt an der Dauer der Reise, am Land oder doch nur am Wetter? Eigentlich ist es egal, denn Spaß habe ich ja trotzdem noch auf dieser Reise und die Vorfreude auf Italien bleibt mir auch weiter erhalten.

Der Zug bimmelt jetzt durch die schönen bunten Wälder. Die bunten Blätter verschwinden ab und an im Dunst des mystisch grauen Nebels. Die Natur sieht wie eine einzige Märchengeschichte aus.

In Brünn angekommen, merke ich dann, dass der Ort lauter als das kleine böhmische Dorf von eben ist. Brünn ist jetzt auch keine Metropole, aber zumindest eine Stadt und kein Dorf mehr. Ich wandere ein wenig durch die Stadt und lande dann recht schnell auf dem Marktplatz. Die Stadt wirkt nicht ganz so historisch wie Prag, aber einige historische Ecken lassen sich dann doch überall finden.

Großstadtleben

Die Stadt ist übrigens natürlich auch UNESCO-Welterbe. Und eine Kathedrale – die St. Peter und Paul Kathedrale – hat der Ort natürlich auch. Und natürlich ist der Dom wieder groß, dunkel und gotisch.

Kommt mir ja fast schon etwas bekannt vor

Ich spaziere noch ein bisschen weiter durch die Stadt und finde noch die eine oder andere schöne Straße und natürlich auch noch mehr Kirchen. Die Himmelfahrtskirche sticht hierbei besonders hervor.

Himmelfahrt
Nehmt euch in acht!

Brünn hat dann aber natürlich auch noch eine Universität, wobei auch diese nicht besonders heraussticht. Bis jetzt ist Brünn eine nette Stadt, aber auch kein Weltwunder. Da hilft auch nicht der Trabi über dem Bunker weiter.

Die wichtigste Ressource eines jeden Landes – die Bildung
Go Trabi Go!

Und dann habe ich eigentlich fast alles Wichtige in dem Ort gesehen und wandere nur so durch die fast leeren Straßen der Stadt. Ich finde eine kleine Kirche, die von außen komplett unspektakulär aussieht. Ich gehe trotzdem hinein. Warum, weiß ich nicht. Der Altarraum sieht schon gut aus. Es gibt noch einen kleinen Gang zur Seite. Am Ende des Ganges ist eine vollkommen neue Welt. Im Halbdunkel liegt der Innenraum einer der schönsten barocken Kirchen, die ich je gesehen habe. Und das Schönste ist, dass es komplett still ist und ich alleine bin. Es ist ein Zufallsfund, der mich einfach nur staunen lässt.

Eine normale Kirche
Eine andere Welt

Zum Abschied des Tages gehe ich auf einen der Hügel der Stadt und gönne mir das, was so ich so sehr liebe – einen schönen Sonnenuntergang.

Frieden

In Tschechien werden die Bahnsteige für manche Züge übrigens auch manchmal erst kurz vorher angezeigt. Für nervöse Menschen ist das daher vielleicht nicht das perfekte Reiseziel. Für mich ist es zum Glück aber kein Problem.

In Prag merkt man dann, dass Samstag Abend ist. Die Stadt mitsamt allen Straßen wird zur Partymetropole. Man hört fast nur noch englisch auf den Straßen und das Durchschnittsalter ist massiv nach unten eingebrochen. Der Duft der Stadt erinnert auch sehr an den Amsterdams. Ich laufe an einer Gruppe Briten vorbei, die fast so einen starken Akzent und Pegel haben wie die Lads aus Liverpool. Alles, was ich im betrunkenen englisch verstehe ist: „Yo, I just wanna get fucked up. I don’t care anymore. Just fuck.“. Die Briten sind wahrlich eine kultivierte Hochkultur. Oder wie mein Bruder sie gerne liebevoll nennt: „Inselaffen“.

Mein Hostelzimmer ist übrigens leer als ich komme. Natürlich, denn es sind ja alle gerade draußen auf den Straßen und das Leben genießen. So kann ich in Ruhe einschlafen und werde nur ein paar mal in der Nacht kurz aus dem Schlaf gerissen.

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6 Kommentare zu „Tag 22 – Böhmische Dörfer, Knochen und noch mehr Kirchen

  1. Ich habe die Kirche vor Jahren einmal besucht. Sehr eindrucksvoll. Soweit ich weiß, geht das Konzept auf die Pest um 1350 in Europa zurück. Eine ähnliche Kirche gibt es noch in Polen. Auch passend dazu die so genannten Totentänze, die in ganz Europa verbreitet sind.

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