Tag 20 & 21 – Prager Herbst

Ein frisch bestandenes Staatsexamen und ein Interrail Ticket für einen Monat: Darum geht es in der Reihe Mein Monat. Bevor du diesen Beitrag liest, ist es vielleicht sinnvoll, erst die vorherigen Beiträge zu lesen.

Donnerstag, 20. Oktober 2022 – Tag 20

Natürlich fällt auch in dieser Nacht wieder ein Handy aus dem oberen Bett hinunter. Das muss in Hostels einfach so sein. Aber ich kann zum Glück heute ausschlafen. Das touristische Programm ruht für heute. Denn es gibt gute Nachrichten, was meine PJ-Situation von Tag 6 betrifft. Ich habe heute ein Bewerbungsgespräch und dank der Digitalisierung geht das auch von Wien aus. Außerdem tut ein bisschen Entspannung auch mal gut, selbst wenn die letzten Tage nicht ganz so anstrengend waren. Aber ich nutze den Tag noch anderweitig sinnvoll. So schreibe ich sehr viel an dieser Seite und schwelge in alten Erinnerungen. Auf der Reise konnte meine Flamme der Begeisterung für’s Schreiben neu entflammt werden, nachdem das Staatsexamen die Flamme fast erstickt hatte. Aber ich nutze den Tag auch als Transfertag. So begebe ich mich am Nachmittag auf den Weg in die nächste europäische Hauptstadt. Es geht nach Prag.

Im Zug erlebe ich dann zwei englischsprechende Reisende, die vom Konzept Kronen noch nicht überzeugt sind. Sie wissen anscheinend nicht, dass in Tschechien nicht mit Euro bezahlt wird. „That makes 40 Crowns.“ – „What crowns?“ – „Czech crowns.“ – „No Euro?“ – No, no Euro.“

In der Dunkelheit komme ich dann in Prag an. Prag macht einen netten Eindruck, aber richtig umhauen tut es mich jetzt nicht. Dafür hat man in der Nacht eine schöne Sicht auf das Nationalmuseum. Das berühmt berüchtigte Prager Nachtleben deutet sich aber schon mehr als deutlich auf den Straßen an.

Gute Nacht

Das Hostel liegt in einem Prager Hinterhof und sieht zunächst etwas dubios aus. Aber was erwartet man auch für 16 Euro die Nacht. Das Bad ist immerhin sauber. Dafür quietscht der Fußboden, die Mitreisenden kennen das Wort Ruhe und auch Rücksicht nicht, das W-LAN ist grauenvoll und das Bett quietscht extrem laut, wenn man sich nur kurz rührt. Aber die letzten 4 Nächte der Reise werde ich auch noch schaffen.

Freitag, 21. Oktober 2022 – Tag 21

Freundlichkeit scheint in Tschechien anscheinend nicht besonders groß geschrieben zu werden. Davon lasse ich mich aber nicht stören. Ich wandere unbeirrt weiter durch die Stadt und erkunde das nächste Land meiner Reise. Es liegt nicht nur am manchmal leicht bewölkten Himmel, aber insgesamt wirkt Prag etwas dunkel und düster. So gibt es hier ganz viele gotische Kirchen und Türme, die alle nicht aus den hellsten Steinen sind. Aber eine düstere Abwechslung tut der Reise auch gut.

Into the dark

Weiter geht es dann für mich das zentrale Herz der Stadt. Das Herz ist auch einer der ältesten Plätze in ganz Prag. So gehen die Ursprünge des Altstädter Ring bis in das 10. Jahrhundert. Hier stehen die St. Nikolauskirche, die berühmte und große Teynkirche oder das historische Rathaus mit einer der ältesten Uhren Europas. Es ist noch recht früh, daher ist der Platz zum Glück noch nicht ganz überlaufen. Man spürt hier die Geschichte der Stadt hautnah. Aber das hat eine Altstadt eben so an sich. Die Kirchen sind zwar imposant, aber ich glaube, die italienischen Kirchen haben mich etwas verdorben. An diese Schönheiten kommen keine anderen Kirchen heran.

Am Puls der Vergangenheit
Prager Geschichte
Italien, ich vermisse dich

Und irgendwie verfolgt mich dieser Mozart aus Salzburg noch immer. So fand in Prag einst die Uraufführung einer seiner besten Opern statt. Vor der Oper erinnert eine Statue an den legendären Don Giovanni.

Questo è il fin di chi fa mal! E de’ perfidi la morte alla vita è sempre ugual!

Nachdem ich auf dieser Reise schon eine der ältesten Universitäten Europas gesehen habe, steht jetzt noch die älteste Universität des Heiligen Römischen Reiches aus. Die Karlsuniversität existiert seit 1348. Der historische Charme ist noch spürbar, aber leider nicht mehr so stark wie an manch anderer Universität.

Das Carolinum

Prag hat übrigens auch ein ganz tolles historisches jüdisches Viertel mit vielen schönen Ecken und interessanten Museen und Synagogen. Selbst wenn das Viertel doch eher für die düsteren Kapitel der Geschichtsbücher steht, so strahlt es jetzt eine besondere Lebendigkeit aus. So komme ich hier auch in den Genuss von Baumstriezeln. Die Süßspeise deckt dann aber auch meinen Kalorienbedarf für die nächsten 2-3 Tage.

„Wenn jemand versucht, seinem Feind zu helfen, verlässt der Hass den Herz des Helfers. An seine Stelle tritt die Liebe.“ – Rav Desler
„Gast bin ich in fremdem Land“

Ich wandere ein wenig im Grau des Tages durch Prag und versuche Land und Leute zu verstehen und die schönen Ecken der Stadt zu sehen. Entlang der Moldau bildet sich zumindest eine sehr schöne Aussicht. Und in der Stadt fällt auf, wie wenig Tschechien-Flaggen man sieht, aber wie viele Flaggen der Ukraine ich doch sehen kann.

Die Moldau und die Prager Burg
Slawa Ukrajini

Und dann geht es für mich über die Moldau. Ich gehe zwar nicht über die bekannteste Brücke Prags, habe aber zumindest eine schöne Sicht auf die Karlsbrücke. Die Brücke aus dem 14. Jahrhundert ist eine der wahrscheinlich bekanntesten Touristenattraktionen Prags. An die römische Brücke aus Rimini kommt sie alterstechnisch aber leider nicht ran.

Über 7 Bögen musst du gehn

Prag ist aber auch für seine alten Straßenbahnen bekannt. Der historische Charme der Straßenbahn passt perfekt zum historischen Charme der Stadt. Das knalle Rot ist auch ohne Frage ein schöner Hingucker.

Fortschritt

Die Prager Burg ist neben der Karlsbrücke einer der anderen Höhepunkte der Stadt. Hier ist die Bezeichnung Höhepunkt übrigens wörtlich zu verstehen, denn ich muss wieder einige Höhenmeter auf mich nehmen. Zum Glück ist der Weg aber auch nicht allzu lang und steil. Bevor ich das Burggelände aber betreten kann, gibt es noch einen Sicherheitscheck. Der historische und besonders bedeutende Ort muss schließlich auch beschützt werden. Am Rande sei natürlich der Form halber erwähnt, dass die Burg UNESCO-Welterbe ist. Auf dem Burggelände befindet sich auch der Veitsdom. Hier fanden über Jahrhunderte die Krönungen der böhmische Könige statt. Die Schlange vor dem Dom ist aber länger als die vom Markusdom. Die Schlange bewegt sich zwar schneller als in Venedig, dafür ist der Dom komplett überfüllt und laut. Es ist zwar eine Sehenswürdigkeit mit Eintritt und keine Kirche mehr, aber kann man nicht trotzdem kurz leise sein. Der Anblick der schönen bunten Fenster lenkt immerhin ein bisschen ab und ist den ganzen Trubel wert.

Auf zur Krönung!
Immer diese Fenster in Prag

Neben dem großen Dom gibt es aber noch eine kleine Basilika auf dem Gelände der großen Burganlage. Die Basilika ist wesentlich älter und das sieht man ihr auch an. Sie ist viel einfacher und naturbelassener. Man sieht den Stein, auf dem man hier steht.

Stein auf Stein

Aber auch der Burgcharme darf auf dieser großen Burganlage natürlich nicht zu kurz kommen. Dafür ist die Zlatá ulička u Daliborky zuständig. Mittlerweile ist die Straße aber mehr Instainfluencer-Hotspot als Burganlage. Das muss man fairerweise auch erwähnen. Der mittelalterliche Charme ist aber zumindest noch etwas da.

Zeit für ein Selfie!

Und natürlich war die Burg auch einst Herrschaftssitz der böhmischen Könige. Der Thronsaal wirkt aber erstaunlich schlicht für die Bedeutung des Königreiches. Viel wichtiger sind in der Residenz aber die Fenster. Schön sind sie nicht, aber historisch sind es mit die bedeutendsten Fenster der europäischen Geschichte. Denn 1618 fand hier der Zweite (ja wirklich schon der Zweite!) Prager Fenstersturz statt. Die Folge dieses Fensters sind 30 Jahre Krieg und Zerstörung in Europa.

Fensterputzer gesucht

Mittlerweile regnet es übrigens leider und der Weg zurück nach unten über das nasse Kopfsteinpflaster dauert länger als gedacht. Die Steine sind nämlich sehr rutschig und ich muss mir alle Mühe geben, damit ich nicht hinfalle. Zum Glück schaffe ich das auch und habe auch noch etwas Zeit, die schönen historischen Straßen Prags zu genießen.

Achtung Rutschgefahr!

Es geht weiter für mich zu einem ganz besonderen historischen Ort. Es geht zur deutschen Botschaft in Prag. Ihr Balkon ist fast so berühmt wie der Balkon in Verona. Nur ist dieser Balkon Drehort einer ganz besonderen Geschichte gewesen. 1989 hat hier Hans-Dietrich Genscher – der beste Außenminister in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands – den berühmtesten Halbsatz der Deutsch-Deutschen-Geschichte ausgesprochen.

Ich bin heute zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise…

In fast schon italienischer Tradition geht es dann für mich in eine Kirche. Die Kirche des Heiligen Nikolas ist aber nicht irgendeine Kirche. Es ist die wahrscheinlich imposanteste Barockkirche, die ich außerhalb Italiens gesehen habe.

Ave Maria

Weiter im Regen geht es dann für mich über die bekannte Karlsbrücke über die Moldau hinüber. Auch hier ist wieder Vorsicht geboten, damit ich nicht hinfalle. Sonst stört mich der Regen zum Glück weniger, ich habe ja meine Kapuze.

Raindrops keep falling on my head

Es sind noch knapp 45 Minuten durch den Regen, bis ich am letzten Ziel des Tages angelangt bin. Es ist mal wieder eine Kirche. Natürlich ist die Kirche auch wieder gotisch. Die Stimmung passt sich dem Wetter an oder das Wetter der Stadt. Auf dem Weg zur Vyšehrad finde ich aber einige architektonisch interessante Werke.

Interessant

Die letzte Kirche ist aber mehr als nur eine imposante gotische Kirche. So gibt es auch hier eine Burganlage und natürlich wieder einen Friedhof voller musikalischer Gräber. So liegen hier auf dem Friedhof Antonin Dvořák oder Bedřich Smetana.

Ganz schön düster
Memento mori

Kommen wir nun zu meinem Fazit zu Prag. Ja, Prag ist eine schöne Stadt mit viel Geschichte und schönen Gebäuden. In meinen Augen – ich weiß, dass du das vielleicht anders sehen wirst – ist die Stadt dann aber doch etwas überbewertet. Schön ist die Stadt, aber mir wird sie dann manchmal doch etwas zu sehr in den Himmel gehoben. Aber das liegt vielleicht auch am Klientel der Reisenden und meiner Freunde. Prag ist eine Partystadt. Ich persönlich bin jetzt auch nicht der größte Partygänger. Nur der junge Durchschnittsgast der Stadt ist schon direkt begeistert, wenn es mal mehr Kultur als auf Mallorca gibt. Von daher ist Prag für mich eine schöne und nette Stadt – nicht mehr aber definitiv auch nicht weniger.

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2 Kommentare zu „Tag 20 & 21 – Prager Herbst

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