Ein frisch bestandenes Staatsexamen und ein Interrail Ticket für einen Monat: Darum geht es in der Reihe Mein Monat. Bevor du diesen Beitrag liest, ist es vielleicht sinnvoll, erst die vorherigen Beiträge zu lesen.
Donnerstag, 6. Oktober 2022 – Tag 6
Der Schlaf war diese Nacht zwar länger als die letzten Tage, doch die Qualität litt leider etwas an dem kleinen Bett. Die tropfende Dusche hat mich ebenfalls wahnsinnig gemacht. Ein offenes Fenster an einer Hauptstraße ist ebenfalls nicht förderlich. Und dann ist mir noch mitten in der Nacht mein Handy vom Hochbett heruntergefallen. Zum Glück ist es wenigstens ganz geblieben. Heute wird aber ein guter Tag. Denn exakt einer Woche nach meiner letzten Prüfung treffe ich meine Freunde und Leidensgenossen aus dem Studium wieder.
Vor dem Bahnhof der Stadt thront Tomislav, der erste König der Kroatinnen und Kroaten. Hinter ihm steht eine kleine Grünanlage und das gelbleuchtende Kunstpavillon. Vor Tomislav steht eine Ansammlung irischer Sportlerinnen. So wie es sich für die Bewohnerinnen der Grünen Insel gehört, verbreiten sie gute Laune und singen und tanzen auf der Straße. Irinnen muss man einfach lieben.

Zagreb bietet dann eine schöne klassische Architektur. Es ist aber auch laut, voll, dreckig und an manchen Orten leider etwa verrußt. Aber dafür gibt’s immerhin freies W-LAN fast überall und etwas Grün findet man auch recht häufig.

Die eigentliche Altstadt ist dann doch sehr überschaubar, aber dafür recht nett. Natürlich stehen Kathedrale und Mariendenkmal auch in Kroatien im Zentrum des Stadtbildes. Die Kathedrale wird leider momentan restauriert und ist daher nur eingeschränkt zu sehen und lässt sich leider auch gar nicht von Innen besichtigen. Ihre Größe lässt sich aber auch so erahnen.


Da ich wirklich sehr viel Zeit habe bis mein Zug am Nachmittag losfährt, setze ich mich in den nächsten Park und gönne mir etwas Erholung. Die habe ich mir an Tag 6 auch verdient. Lange kann ich aber auch nicht nichts tun und mache mich dann auf zum mittelalterlichen Kern der Stadt.

Der ganz alte Stadtkern ist auch sehr nett, jetzt aber auch nichts weltbewegendes. Interessant ist nur die Kirche, die sich versteckt in einem Tor befindet. Aber Kirche ist vielleicht auch etwas übertrieben. Es ist eigentlich auch nur ein Altar.

Die St.-Markus-Kirche in der Nähe hat sogar ein richtiges Dach und ist nicht nur eine Durchfahrt. Das Dach hat es dafür in sich. Normale Mosaike kann ja jeder, da kann man schon ein Ziegelmosaik machen.

Der ganze Hügel des historischen Stadtkerns ist schön. Er wirkt richtig schön historisch. Ein Oldtimer am Straßenrand macht das Bild – wie in Rothenburg – perfekt. Es ist nur etwas witzig, dass viele Straßen neben einem kroatischen Straßennamen noch einen deutschen Straßennamen haben. Die k.u.k.-Zeit hat ihre Spuren an den Häusern Zagrebs hinterlassen.

Wie eben schon erwähnt, handelt es sich bei dem Stadtkern um einen Hügel. Dementsprechend ist die Aussicht auf die Stadt natürlich auch eine gute. Der Rückweg nach „unten“ ist dafür umso steiler, voller Kopfsteinpflaster, und „rustikaler“.


Meine Rundreise durch Zagreb wird jetzt wieder etwas kultureller und gelber. Das kroatische Schulmuseum und das kroatische Nationaltheater sind nicht nur schöne Orte, sondern auch sehr gelbe Orte. Schön sehen sie auf jeden Fall aus. Und sie bieten auch die Gelegenheit, sich mal kurz in die Sonne zu setzen.


Außerdem glaube ich, dass mich dieser Mimara verfolgt. So heißen nicht nur ständig Züge wie er, so gibt es auch noch das passende Museum von ihm hier in Zagreb.

And every move you make
Every bond you break
Every step you take
I’ll be watching you
Ich schlendere dann noch etwas durch die Stadt und entscheide mich dann aber doch für eine Bank in der Sonne. Die Gehwege enden immer in Baustellen und das meiste von Zagreb ist gesehen. Mein Weg zu der Bank in der Nähe von Tomislav verläuft dann auch durch ein unterirdisches Einkaufszentrum, was mich sehr an das in Minsk erinnert.
Als ich gemütlich in der Sonne sitze, werde ich dann von einem Amerikaner angesprochen. Er hat mein Abbey Road T-Shirt gesehen und wir unterhalten uns dann etwas über meine Liebe zu den Beatles, meine Magical Mystery Tour durch Liverpool, die Hamburger Reeperbahn, und wie es ist, über den berühmtesten Zebrastreifen der Musikgeschichte zu laufen. Und er bringt mir dann noch eine große Lebensweisheit mit auf den Weg.
„Egal wo auch immer du hingehst, du findest immer einen Deutschen. Die Deutschen sind immer die ersten an einem Ort.“
– eine alte amerikanische Weisheit
Er hat wohl recht mit seiner Weisheit. Schließlich hat er auch mich gefunden. Nach unserer Unterhaltung zieht er weiter und ich versinke wieder in meinen Gedanken. Ich muss schließlich auch mal meine weitere Reise planen. Ich bin zwar erst einmal für unbestimmte Zeit bei meinen Freunden, aber was kommt dann? Ich ertappe mich, wie ich der Sehnsucht für Italien verfalle. Das Land hat wirklich mein Herz erobert und ich habe es dort verloren. Aber ich wollte doch eigentlich weiter Richtung Osten. Eigentlich. Aber für Italien lodert es wirklich lichterloh in meinem Herzen. Die Sehnsucht und der Reiz sind so stark in mir, da kann ich eigentlich nicht widerstehen. Rumänien hat zwar eine wunderschöne Landschaft, aber leider ein ausbaufähiges Streckennetz und lange Strecken. Und ich stehe lieber in der Natur als sie aus dem Fenster zu fotografieren. Italien mag zwar die instabilsten Regierungen Europas haben, aber dafür mit das stabilste Bahnstreckennetz. Ursprünglich war nur Italien auch mal der Plan. Das war mir aber dann zu teuer und ich wollte auch mal Goethes Italienreise nachmachen. Aber warum eine Reise nachmachen, wenn ich meine eigene Reise gestalten kann. Ich habe zwar nur 4 T-Shirts und mehr Pullis mit, aber das würde ich aber sicher auch irgendwie schaffen. Ich wollte ja schon an Tag 4 nach Venedig durchbrettern. Aber das Schöne an dieser Reise ist ja, dass nichts geplant ist und ich niemanden was schuldig bin und einfach meinem Herzen folgen kann. Also auf nach Italien! Ich weiß zwar noch nicht, was ich mir genau in Italien anschauen möchte und wie ich von Split dorthin komme, aber ich habe jetzt auch keine Lust mehr, mir ewig Gedanken zu machen, ich will einfach was machen und etwas erleben und nicht meine Zeit mit Zügen planen verschwenden.
Zum Glück ist es ja jetzt auch Zeit, mich Richtung Bahnhof zu bewegen. Dort bin ich aber etwas verwirrt. Denn es gibt zweimal das Gleis 4. Einmal 4.1 und einmal 4.2. Ich finde mich aber zum Glück zurecht. Für den Zug benötigt man eine Sitzplatzreservierung. Wobei dies mehr eine Empfehlung zu sein scheint. So ist mein Platz schon belegt und wird erst nach Umsetzen frei und danach fragt mich jemand, ob der Platz neben mir frei sei. Aber ich sitze und das ist die Hauptsache.
Mit der Klimaanlage im Zug ist es aber eiskalt und ich fange fast an zu frieren. Die Zugstrecke selbst geht dann durch abgelegene Dörfer und Landschaften, die den Balkan so perfekt darstellen, wie es nur geht.

Auf der Straße fährt ein alter Opel, der mehr schwarzen Rauch aus dem Auspuff gibt als bei einer gescheiterten Papstwahl aus der Sixtinischen Kapelle herauskommt. Die Geschwindigkeit des Zuges hält sich übrigens in Grenzen. Die „Bahnhöfe“ der Strecke sind auch sehr interessant. Interessant ist auch, dass an jedem „Bahnhof“, sei er noch so klein, ein Schaffner steht und nach dem Zug Ausschau hält.

Meine Planungen für den weiteren Verlauf der Reise werden jetzt aber auch noch anderweitig erschwert. So bekomme ich unerwartet eine Absage für die Stelle meiner zweiten Hälfte meines praktischen Jahres. Mein erster Rückschlag der Reise hat somit eigentlich nichts mit der Reise zu tun. Ein herber Rückschlag ist es dennoch. Daher muss ich morgen erst einmal neue Bewerbungen schreiben und dann schauen wir mal, wie es weiter geht. Am Ende muss die Reise wegen Bewerbungsgesprächen noch früher enden, was verdammt ärgerlich wäre. Ich bin so aufgewühlt, dass ich es kaum schaffe, die Landschaft zu genießen oder an meine Reise überhaupt zu denken. In mir breitet sich auch eine gewisse Verzweiflung aus. So bin ich in diesem Zug ohne WLAN und kaum Empfang gefangen und so machtlos. Der Gedanke, dass ich bald in meiner Komfortzone mit meinen besten Freunden bin, ist das Einzige, was halbwegs hilft.
Der Sonnenuntergang über den rötlichen Baumspitzen spendet zumindest etwas Trost. Aber gegen halb Sieben zaubern dann die Wolken ein Kunstwerk, das seines Gleichen sucht. Der Himmel scheint so bittersüß rot. Und dann fahren wir noch an einem See vorbei, indem sich die Wolken so traumschön spiegeln. Bei diesem blutorangenen Himmel vergesse ich fast die Zeit und meine Sorgen.
In der Dunkelheit kommen dann aber auch die Gedanken wieder. Die Frage nach dem Praktischen Jahr ist auch die Frage danach, was ich dann eigentlich in der Zukunft will. Am liebsten würde ich ja genau das hier ewig weitermachen. Das ist nur leider nicht ganz so realistisch. Und die Pharmazie ist ja definitiv eine sinnstiftende und erfüllende Tätigkeit.
Im Zug wird es jetzt fast sogar heiß, aber der Schaffner öffnet schon die ersten Fenster. Draußen herrscht derweil absolute Dunkelheit. Man kennt es aus Deutschland ja kaum, aber ich meine wirklich absolute Dunkelheit. Keine hellen Städte in der Ferne. Einfach nur schwarze Stille. Mit offenem Fenster wird es aber doch arg frisch. Im Zug schaukelt es auch stark. An der Toilette merkt man das dann auch richtig. Männers setzt euch doch einfach hin…
Mit knapp 30 min Verspätung komme ich dann im Vorort von Split an und mache mich auf den Weg zu meinen Liebsten. In den letzten 4 Jahren habe ich sie schließlich fast jeden Tag gesehen und ins Herz geschlossen. Ich bin zwar in Kroatien. Aber es ist eine Heimkehr. Denn Heimat ist da, wo deine Freunde sind.

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Wenn das hier live wäre, würde ich dir schnell ein paar Fotos von meiner diesjährigen Sommerreise durch Rumänien schicken – https://andreas-moser.blog/2022/07/22/zuruck-aus-den-karpaten/- , um dich doch von Rumänien zu überzeugen. 😉
Aber es stimmt, man ist dort ziemlich lang mit dem Zug unterwegs. Dafür sind die Strecken schön, vor allem, wenn sie durch die Berge oder entlang von wilden Flüssen führen.
Aber ich bin dann wegen der geringen Frequenz der Züge auch oft auf den Bus oder aufs Trampen umgestiegen.
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Ich glaube dir wirklich wie schön Rumänien ist. Und du machst mir so nur mehr Lust darauf, irgendwann mal in Rumänien zu sein. Aber ich kann dir auch versprechen, dass Italien sich auch gelohnt hat 😉
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