Laut. Voll. Überfüllt. Das sind meine ersten Eindrücke von der Stadt, die mir immer wieder als schönste Stadt Deutschlands ans Herz gelegt wurde. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft mir gesagt wurde, wie sehr Heidelberg mir gefallen werde. Während ich auf der überfüllten Hauptstraße laufe, denke ich mir, dass ich vielleicht einfach nur zu hohe Erwartungen an die Stadt habe und sie mir deshalb nicht gefällt. Nachdem ich wenige Meter von der nächsten Person angerempelt werde, ändere ich meine Meinung und bin mir ziemlich sicher, dass es nicht (nur) an mir liegt. Ich beschließe meinen Weg auf die Seitenstraßen zu verlegen. Die leeren kleinen Seitenstraßen verdrehen meinen Blick auf die Stadt komplett. So langsam spüre ich dann doch, warum alle Menschen mir sagen, dass Heidelberg mir gefallen werde.

Heidelberg ist auch die Heimat der ältesten deutschen Universität, die als Vorbild für viele Universitäten in der ganzen Welt diente. Mit meiner Liebe zu alten Universitäten kann Heidelberg so auch noch ein paar weitere Pluspunkte sammeln. Wobei ich hierbei erwähnen möchte, dass die schönste Universität Deutschlands in Marburg steht.
Das touristische Highlight Heidelbergs ist aber ohne Frage das Heidelberger Schloss. Doch bevor es mit der über 100 Jahre alten Heidelberger Bergbahn zum Schloss geht, fahre ich noch 2 Stationen weiter und genieße am Königsstuhl eine grandiose Aussicht. Und wenn ich grandiose Aussicht schreibe, dann meine ich das auch so. Der Blick in die große weite unbekannte Ferne ist wirklich atemberaubend.


Einige Hundert Höhenmeter dem Erdmittelpunkt näher bin ich dann am Heidelberger Schloss. Die Heilige Dreifaltigkeit des Deutschlandtourismus für Amerikaner und Asiaten sind das Schloss Neuschwanstein, die Drosselgasse und das Heidelberger Schloss. Diese Dreifaltigkeit merkt man deutlich. Es gibt mehr englische oder chinesische Schriftzüge als deutsche. Überall wird german beer oder german wine beworben. Wenn COVID nicht gerade wäre, dann wäre dieser Ort wahrscheinlich von außereuropäischen Massentouristen überflutet. So ist dieser Ort jetzt vergleichsweise leer und die Überreste des Massentourismus lassen sich nur erahnen. Zum Glück. Denn ich hasse Massentourismus. Und ich liebe Reisen. Das ist aber kein Widerspruch. Denn wer denkt, dass Reisen und (Massen)Tourismus das Gleiche sind, der hat das Reisen einfach noch nicht verstanden oder wirklich erlebt.

Heidelberg ist aber auch – so wie mein geliebtes Mittelrheintal – Hochburg der Romantik. Wie der Name dieses Blogs bereits erkennen lässt, ist die Romantik meine Lieblingsepoche. Aber was ist eigentlich Romantik?
Die Romantik lässt sich ganz leicht mathematisch erklären. Romantik ist nichts anderes als f(x) = 1/x. Romantik ist die Sehnsucht nach der Unendlichkeit, die nie erreicht wird und auch nie erreicht werden soll. Romantik ist die Sehnsucht zum Unvollkommenen, zur Natur, zur Vergangenheit und zur Vergänglichkeit. Eine Ruine aus dem Mittelalter, erhaben in der Schönheit der Natur, ist das, was Heidelberg so romantisch und so schön macht.

Die Aussicht, die man vom Schloss auf die Heidelberger Innenstadt hat, ist auch fantastisch. Im Gegensatz zum Königsstuhl schweift der Blick hier weniger in die Zukunft der Ferne und fokussiert sich mehr auf das Hier und Jetzt Heidelbergs.

Das Heidelberger Schloss ist aber nicht nur Heimat der Romantik, sondern auch eines sehr großen Fasses sowie Heimat des Deutschen Apothekermuseums. Als Pharmaziestudent bin ich da jetzt vielleicht ein klein bisschen voreingenommen, aber der Besuch des Museums ist absolut empfehlenswert. Mir hat es zumindest sehr gefallen! Aber ich war auch schon fast der Einzige, der die Vorlesung zur Pharmaziegeschichte im Studium toll fand.


Wusstest du eigentlich, dass man früher ägyptische Mumien als Arzneimittel verwendet hat? Über die Geschichte von Mumia vera und anderen skurrilen Arzneimitteln der Geschichte kann man hier noch so einiges erfahren. Falls du mehr über Mumien als Arzneimittel erfahren willst, kannst du hier mehr darüber lesen. Ich bin zumindest froh, dass es mittlerweile bessere Medikamente gibt.

Wieder am Boden angekommen, kann ich die schönste Ruine Deutschlands auch mal in voller Pracht erblicken. Die Menschenmassen in der Innenstadt versuche ich weiter fleißig zu vermeiden.

Der Schlangenweg soll mir als Rückzugsmöglichkeit dienen. Er ermöglicht mir den zutiefst romantischen Rückzug in die Ruhe und Stille der schönen Natur. Auch wenn der Weg nach oben sehr anstrengend ist.

Oben angekommen, lässt sich aber sagen, dass sich die Anstrengung gelohnt hat. Am Philosophenweg hat man eine wunderschöne Aussicht und genügend Ruhe, um über die großen Fragen des Lebens zu philosophieren. Der Weg ist zwar lang, aber dann auch nicht lang genug, um die passenden Antworten zu finden.


Etwas mehr Zeit zum Nachdenken kann ich dann aber im Philosophengärtchen finden. Dort genieße ich aber lieber sehr lange die bunte Schönheit der Pflanzenwelt als nachzudenken. Die summenden Bienen im Hintergrund machen diesen Ort gleich noch schöner. Vielleicht ist auch meine Sehnsucht nach solchen Orten und die Möglichkeit, solche Orte zu genießen, die passende Antwort auf die großen philosophischen Fragen.


Über den Neckar, ja die Romantik braucht immer auch einen schönen Fluss, geht mein Weg dann wieder zurück zum Bahnhof. Vielleicht hatte ich zu Beginn des Tages zu hohe Erwartungen an Heidelberg. Erfüllt wurden sie trotzdem.


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Habe zum Thema „sehr hohe Erwartungen und Enttäuschung“ bei meinem ersten Heidelberg-Besuch ähnliche Erfahrungen gemacht wie im Beitrag geschildert. Schade eigentlich, wenn man die romantischen Bilder sieht.
Viele Grüße
P.S.: Die Beschreibung der Romantik mit Hilfe einer mathematischen Funktion fand ich sehr anschaulich, wobei mir eher das Bild einer Funktion wie f(x)=ln(x) kommt.
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Hallo Sehnsuchtsbummler,
danke für Deine Betrachtungen zuletzt aus England, hier aus Heidelberg und die erstaunlichen Sätze:
„Die Romantik lässt sich ganz leicht mathematisch erklären. Romantik ist nichts anderes als f(x) = 1/x. Romantik ist die Sehnsucht nach der Unendlichkeit, die nie erreicht wird und auch nie erreicht werden soll. Romantik ist die Sehnsucht zum Unvollkommenen, zur Natur, zur Vergangenheit und zur Vergänglichkeit. …“
Freie Assoziation: „Praxis ist Kunst, Spekulation ist Wissenschaft, Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.“
Friedrich Schleiermacher, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, Berlin 1799, Reclam 1969, 2003, S. 36
Demnach ist es ein langer, womöglich vielleicht ein unendlicher Weg:
„Am Philosophenweg hat man eine wunderschöne Aussicht und genügend Ruhe, um über die großen Fragen des Lebens zu philosophieren. Der Weg ist zwar lang, aber dann auch nicht lang genug, um die passenden Antworten zu finden.“
Auf dem Weg herzliche Einladung nach Nürnberg
Bernd
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Hallo Arnold,
sorry für die späte Rückmeldung, aber der Kommentar ist leider erst im Spam gelandet. Zunächst Danke für die netten Worte. Das Lob für die mathematische Funktion muss ich wohl an meinen alten Deutschlehrer weiterleiten, denn von ihm kommt die Idee mit f(x) = 1/x. Der Rest kommt dann aber von mir 😉 Das Zitat von Schleiermacher passt wirklich gut dazu. Die Romantik und die Philosophie haben kein Ende. Für mich hat das Reisen auch kein Ende, denn es gibt immer etwas Neues, was ich entdecken will oder etwas Altes, was ich wieder neu entdecken möchte. Aber genau diese Unendlichkeit ist das, was ich so sehr liebe. Und auf dem Weg in die Unendlichkeit lässt sich auch gut darüber philosophieren, ob es dir richtige Weg ist. Bis jetzt hatte ich aber noch keine Zweifel an meiner Routenführung 😉
Ich war jetzt schon oft in Nürnberg und kann wirklich sagen, dass es eine ganz tolle Stadt ist, die immer wieder einen Besuch wert ist!
Viele Grüße
Max
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Dankeschön für die Heidelberger Umschau.
„Praxis ist Kunst, Spekulation ist Wissenschaft, Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.“
(Friedrich Schleiermacher)
Viele Grüße
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