Per Interrail durch England IV/IV – Die Royal Navy & London

Der vierte Tag meiner Interrail-Reise durch England beginnt in Bath. Falls Du Tag I, Tag II oder Tag III nicht gelesen hast, tu mir und dir bitte den Gefallen und erledige das erst, bevor die Reise hier losgeht.

Die 1,8 Kilometer bis zum Bahnhof laufen sich ausgeschlafen gleich viel einfacher. Der Weg zum Bahnhof erfolgt zum großen Teil durch die Wiese. Die schöne Morgenstimmung kommt so viel besser zur Geltung. Der zweite Teil des Weges führt an kleinen Kanälen entlang, die mich – wie gestern – direkt verzaubern.

Kanäle zum Glück

Am Bahnhof angekommen genieße ich die Strahlen der Morgensonne und ertappe mich, wie ich ganz wehmütig werde, wenn ich daran denke, dass es heute mein letzter richtiger Tag ist.

Wehmut

Das nächste Ziel heißt eigentlich Portsmouth. Warum eigentlich? Southampton hat zwar an sich nicht so viel zu bieten. Es ist vielmehr bekannt als ein Hafen für die großen Kreuzfahrtschiffe dieser Welt. Aber es ist doch keine ganz so kleine und unbedeutende britische Stadt und sie liegt wirklich sehr gut auf dem Weg. Also beginnt der Tag mit einem kleinen Extraausflug. Ein nettes Städtchen ist Southampton aber dennoch. Ein paar Überreste der alten Stadtmauer, eine schöne Kirchenruine, ein paar schöne Fachwerkhäuser und ein typisch britisches Backsteinviertel bestätigen, dass die Extratour sich gelohnt hat. Die Hafenstadt ist im Übrigen besonders für die Titanic bekannt, die 1912 sich von hier auf ihre letzte Reise aufmachte.

Das Tor zur See
Der rettende Anker vor der Vergänglichkeit
Küstenidylle
Hat fast ein bisschen was von Stratford-upon-Avon
Das typisch britische Viertel des 20. Jahrhunderts

Portsmouth ist wirklich fast direkt neben Southampton und auch eigentlich nur für seinen Hafen bekannt. In diesem Hafen werde ich mich mit der Geschichte der Royal Navy und der britischen Seefahrt auseinandersetzen. Die Briten sind ja schon sehr stolz auf sich, aber auf ihre Royal Navy sind sie besonders stolz. Es heißt nicht ohne Grund Rule Britannia, Britannia, rule the waves! Von der Fähre zur Isle of Wight bis zur Royal Navy findet man alles in diesem Hafen.

When Britain first, at heaven’s command
Arose from out the azure main
Arose arose from out the azure main
This was the charter, the charter of the land
And guardian angels sang this strain

Die Portsmouth Historic Dockyard zeigen den ganzen Stolz der Royal Navy. Stolz ist aber auch der Eintrittspreis für die Docks mitsamt Zugang zu den ganzen Schiffen von 50 Pfund. Aber man ist schließlich nur einmal in Portsmouth. Den Anfang der Docks nimmt die HMS Warrior in Beschlag. Das Vorzeigeschiff des viktorianischen Englands steht ganz zu Beginn der nautischen Expedition. Auf dem Schiff selbst merke ich dann aber doch wieder, welche großen Vorteile es doch hat, wenn man nicht allzu groß ist. Mein Kopf ist dem zumindest sehr dankbar. In so einem viktorianischen Kampfschiff ist es nämlich sehr eng und nicht besonders hoch.

Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves
Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves

Wieder an Land führt mich mein Weg in das Boathouse 4. Ein Ort, wo schon einst für Dünkirchen und die Landung in der Normandie Schiffe gebaut wurden. Das Schicksal dieser Boote konnte ich bereits vor 3 Jahren auf der anderen Seite des Kanals in der Normandie erfahren. In der heutigen Zeit ist das Boathouse aber mit wesentlich schöneren Dingen befasst. Die Boote, die hier gebaut werden, sind jetzt ziviler Natur und Familien können das Bootbau-Erlebnis live miterleben.

Still more majestic shalt thou rise
More dreadful from each foreign stroke
More dreadful, dreadful from each foreign stroke
As the loud blast, the blast that tears the skies
Serves but to root thy native oak
Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves
Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves

Da ich mich ja auch historisch weiterbilden möchte, geht es jetzt in das National Museum of the Royal Navy Portsmouth. Dort wird die Geschichte der Royal Navy von ihren Anfängen, über die spanische Armada, über den grandiosen James Cook mit seinen Expeditionen, über 2 Weltkriege bis zum Falklandkrieg anschaulich und informativ dargestellt.

Wenn die Briten eine Person mit der Royal Navy verbinden, dann ist es Horatio Nelson. Sie verbinden ihn nicht nur mit der Royal Navy, sie vergöttern ihn nahezu. Diese Vergötterung und dieser Enthusiasmus nimmt fast selbst mich ein. Die Briten wählten Nelson sogar auf Platz 11 der 100 Greatest Britons. Damit steht er vor Paul McCartney, James Cook, Elizabeth II, Margaret Thatcher oder gar Queen Victoria! Daher bekommt er natürlich auch eine eigene Sonderausstellung mit all den berühmten Gemälden von ihm und allem, was man auch nur im Ansatz mit ihm in Verbindung bringen kann.

England expects that every man will do his duty

Sein Flaggschiff bekommt natürlich auch ihr eigenes Museum. Im Obergeschoss präsentieren die Briten ganz stolz die bunten Galionsfiguren aus ihrer Geschichte.

Still more majestic shalt thou rise
More dreadful from each foreign stroke
More dreadful, dreadful from each foreign stroke
As the loud blast, the blast that tears the skies
Serves but to root thy native oak

Jenes Flaggschiff befindet sich natürlich auch hier in Portsmouth, aber bevor wir dorthin kommen, musst du noch etwas Geduld haben. Als nächstes steht die HMS M.33 an der Reihe. Ein britisches Kampfschiff aus dem 1. Weltkrieg. Imposanter sind aber die Schiffe, die hinter der M.33 thronen. Denn Portsmouth wird noch aktiv genutzt und die großen Schiffe der Moderne übertrumpfen bei weitem das kleine Schiff, das einst das Fiasko von Gallipoli als einziges Schiff der Briten überlebte. Mitverantwortlich für dieses Desaster in der Hitze Gallipolis war übrigens niemand geringeres als Winston Churchill. Ja, DER Churchill, den die Briten auf Platz eins wählten.

Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves
Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves

Jetzt sind wir aber endlich am Herzen des Hafens angekommen. Die HMS Victory thront triumphal in der Mittagssonne. Das ganze Schiff strahlt schon direkt eine Aura des Triumphes und der Autorität aus.

The Muses, still with freedom found
Shall to thy happy coasts repair
Shall to thy happy, happy coasts repair
Blest isle regardless, with countless beauty places
And manly hearts to guard the fair
Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves
Rule Britannia, Britannia, rule the waves
Britons never, never, shall be slaves

Auf dem Deck des Schiffes hat man übrigens auch eine sehr schöne Aussicht auf das Hafengelände in Portsmouth in der Ferne.

Desperate affairs require desperate measures.“

Unter Deck freut sich mein Kopf wieder über meine Körpergröße. Nelson – genauer sein Tod – wird überall, wo es nur geht, erwähnt. Man könnte fast denken, sein Tod war es, was ihn erst unsterblich machte. Das, was ihn aber auch noch heute für die Briten so bewundernswert macht, ist sein immer währendes Pflichtbewusstsein.

„Thank God, I have done my duty.“
„Kiss me, Hardy“

Weiter geht es zur Mary Rose und 500 Jahre in die Vergangenheit. Die Mary Rose wurde 1511 in dieser Stadt vollendet und war das Lieblingsschiff von Henry VIII. Ja, der König mit den ganzen Frauen, der dafür sogar extra eine eigene Kirche gegründet hat. 1545 holte Poseidon dann das Schiff zurück in sein Reich. Über 400 Jahre später konnte dann das Schiff geborgen werden. Es ist zwar nur noch zur Hälfte existent, aber die eine Hälfte ist dafür noch sehr gut in Schuss.

Not to worry, we are still flying half a ship.
Ich will dich mal in 400 Jahren sehen

Und so endet meine Exkursion ins nautische England. Am Bahnhof des Hafens geht es für mich wieder in den Zug. Selbst wenn die Isle of Wight bestimmt auch schön ist. Aber tempus fugit… tempus fugit.

Every summer we can rent a cottage
In the Isle of Wight, if it’s not too dear
We shall scrimp and save
Grandchildren on your knee
Vera, Chuck and Dave

Es geht jetzt nach London. Für viele Menschen wäre das jetzt das Highlight der Reise. Aber ich war schon in London, daher ist es auch nur ein Ort zum Umsteigen. Mein Zug endet aber im Südwesten der Stadtmitte. Mein Anschlusszug verkehrt aber vom Nordosten der Stadtmitte. Es geht für mich dann weiter nach London Stansted, wo ich nächtige, damit ich morgen den ersten Flug nach Deutschland nehmen kann. Ich muss morgen den ersten Flug nehmen, denn mein Bruder, der England weniger liebt als ich, hat morgen Geburtstag und er würde mir es nie verzeihen, wenn ich an seinem 25. Geburtstag bei den „Inselaffen“ bin. Da ich noch etwas Zeit habe, laufe ich zwischen den beiden Bahnhöfen. Die knappe Stunde kann ich noch laufen und kann dabei auch gleich die golden hour in London erleben. Wobei es nicht nur eine Stunde laufen werden wird… Denn in der golden hour erstrahlt im warmen Licht der Sonne alles so schön gülden und über meine Obsession zu Sonnenuntergängen schreibe ich lieber nichts mehr.

Schon beim Aussteigen aus dem Zug wird mir gewahr, dass ich jetzt in London bin. Ich bin jetzt in keiner kleinen englischen Stadt mehr. Ich bin in einer Weltmetropole. Dementsprechend ist alles sehr voll, hektisch und laut. Aber natürlich trotzdem alles auf die gesittete englische Art. Ich verlasse den Bahnhof und werde direkt von der güldenen Sonne angestrahlt. Im Großstadtwirrwarr ist es zwar sehr schwer, die Ruhe zu finden und den Moment zu genießen, aber mir gelingt es dennoch. Der Anblick der Stadt zu dieser Stunde ist einfach wundervoll.

Abendliche Schönheit

Wenige Meter später stehe ich vor dem London Eye. Der Platz rund um das berühmte Riesenrad ist mehr als nur voll. Es scheint so, als wollen alle Menschen dieser Stadt diese wunderschönen warmen Sonnenstrahlen einfangen und genießen, solange sie noch die Chance dazu haben. Aber es scheint auch so, als seien an der Themse in diesem Moment alle Menschen frei und glücklich.

Ich war zwar schon in London, allerdings wurde der Palace of Westminster mitsamt Tower 2018 gerade restauriert und eingehüllt. So habe ich wenigstens jetzt die Möglichkeit eines unverhüllten Fotos. Und wenig später erklingt auch der süße Laut Big Bens in meinen Ohren und ich fühle mich instinktiv noch britischer als zuvor.

Unverhüllte Schönheit

Die Sonne neigt sich dem Untergang zu und es sieht einfach nur wunderschön aus. Man findet an der Mauer zur Themse kaum einen freien Ort, da jeder freie Meter für Selfies genutzt wird. Die einfachen touristischen Selfies werden aber von der gigantischen Summe an Instagram-(Möchtegern)-Influencer-Shootings überdeckt. Ich halte zwar nicht viel davon, aber mein moralisches Ross darf nicht zu hoch sein, denn schließlich will ich auch an den Fluss heran, um ein Foto zu machen. Mit dem Unterschied, dass ich keine Viertelstunde brauche und es mir um die Schönheit & Vergänglichkeit des Momentes geht und nicht um meine Selbstinszenierung. Nach einigen Metern erreiche ich eine freie Stelle, erfasse den Moment und ziehe weiter. Die göttliche Schönheit dieses flüchtigen Momentes betrachte ich dafür umso intensiver und häufiger.

Flüchtige Schönheit

Die Westminster Bridge ist so voll, dass ich kaum über die Brücke komme. Wenigstens hat man so etwas mehr Zeit, die Schönheit der Themse und ihres Umfelds in der Golden Hour zu genießen.

Schon irgendwie ein komisches Auge

Vorbei an vielen kleinen Parks und dem Somerset House genieße ich den schönen Großstadttrubel der Stadt an der Themse. Ja, es ist eine Weltmetropole und ich musste mich zunächst an die Umstellung zu den vorherigen Städten gewöhnen, aber trotz allem ist die Stadt doch irgendwie weniger stressig als meine Heimat Frankfurt. Die Insel scheint die Menschen gelassener zu machen.

Britische Gelassenheit
Einblicke in das Seitenleben der Metropole

Die goldene Stunde ist mittlerweile von der Abenddämmerung verdrängt worden. Und so erscheint alles weniger gold und dafür umso mehr dunkel, blau und am Ende schwarz. Ein ganz neuer Charme hüllt die Stadt ein.

Neue Perspektiven

Noch kurz an St. Paul’s Cathedral vorbei gehuscht und dann stehe ich da, die Augen auf das andere Ufer gerichtet. Ein kleines Rondell, was mehr als nur ein Gebäude ist. Shakespeare’s Globe Theatre ist nicht nur ein Theater. Es steht wie kein anderes Gebäude auf diesem Planeten für den englischen Nationaldichter. Dessen Tragödien und Komödien uns noch heute begeistern. Und dessen Werke wirklich jeder gesehen haben sollte.

All the world’s a stage, and all the men and women merely players:
They have their exits and their entrances; and one man in his time plays many parts…

Die Dämmerung hält nicht lange an, denn es wird sehr schnell schwarz. Die Lichter der turbulenten Großstadt durchbrechen aber die Finsternis und lassen so die Schönheit des Lichts den Kampf gegen Dunkelheit gewinnen. Während ich dieses Lichter Schauspiel verfolge und genieße, erfreue ich mich an den Anblicken der Londoner Seiten- und Hauptstraßen und versuche einfach das Leben einzufangen.

Das Leben einfach einfangen

Es folgt ein kleiner Ausflug auf die London Bridge. In der Dunkelheit strahlt die Tower Bridge gleich noch imposanter. Die HMS Belfast zur Rechten, rundet meinen Ausflug zur Royal Navy nach Portsmouth perfekt ab.

Rule Britannia

Es folgen ein paar Gruppenbilder von anderen Touristen, die mich baten, ihren Ausflug festzuhalten, ehe ich meine Studien über das Leben Londons fortsetzen kann.

Teil I – Vergangenheit
Teil II – Säulen, was auch sonst?
Teil III – Zukunft

Beim Anblick des Gherkins wird mir bewusst, dass ich es bald geschafft habe. Eine knappe Stunde habe ich nicht gebraucht. Aber jede Sekunde und jede Erfahrung des verlängerten Weges haben sich gelohnt.

Ich steige in meinen Zug und wenig später bin ich am Ziel. Im Flughafenhotel von London Stansted bin ich einfach nur noch müde. Ich weiß, die Nacht wird sehr kurz werden. Und der Gedanke, meine geliebte Insel verlassen zu müssen, macht nur noch mehr müde und traurig.. Aber ich werde wiederkommen. Das habe ich meiner Liebe versprochen. Und mit diesem Versprechen enden vier wundervolle Tage, die ich nie mehr vergessen werden. Vier Tage mit insgesamt 974 Kilometern auf der Schiene, 12 pünktlichen Zügen, 10 besuchten Orten und 14 Stunden und 41 Minuten auf den Gleisen.

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7 Kommentare zu „Per Interrail durch England IV/IV – Die Royal Navy & London

  1. Vielen Dank für deine Einblicke in deine kurze Reise. Deine Bilder finde ich beeindruckend und haben mir meine Sehnsucht nach England etwas gestillt. Auch wenn ich erst letzte Woche in London war, ist das Fernweh schon wieder riesig. Ganz liebe Grüße aus der Eifel!

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen Dank für das Lob! Das bedeutet mir wirklich viel. Beim Schreiben der Texte habe ich auch wieder sehr viel Sehnsucht nach England gespürt. Aber die nächste Reise kommt ja bestimmt bald wieder 🙂 Und bis dahin müssen die Bilder den Hunger stillen 😉 Liebe Grüße aus Frankfurt!

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