Per Interrail durch England III/IV – Oxford & Bath

Der dritte Tag meiner Interrail-Reise durch England beginnt in Liverpool. Falls Du Tag I und Tag II nicht gelesen hast, tu mir und dir bitte den Gefallen und erledige das erst, bevor die Reise hier losgeht.

Kann die Reise nach dem gestrigen Tage eigentlich noch besser oder auch nur annähernd so gut werden? Ist es nicht unfair für die Städte, die jetzt noch kommen, sich mit den Eindrücken der letzten beiden Tagen messen zu müssen? Als ich an diesem Morgen aufstehe, habe ich all diese Gedanken in meinem Kopf, aber Antworten kann ich darauf auch keine geben.

Die Liverpooler Victoria Street sieht am Morgen zunächst noch etwas verschlafen aus. Die Überreste der Party sieht man allerdings kaum noch. Ordnung und Sauberkeit ist schließlich eine der höchsten britischen Tugenden.

Drei Stunden später und schon befinde ich mich in Oxford. Ich möchte hier übrigens mal anmerken, dass die Züge bis jetzt alle pünktlich waren. Nur mal so als kleiner Gruß an die DB, die ich zwar bei all meinen Zugreisen lieben, aber auch hassen lernte.

Wie schon (mehr als einmal) erwähnt, liebe ich die britischen Universitäten. Bei der Reiseplanung war daher vollkommen klar, dass die Route auch nach Oxford führen MUSS. Als Liebhaber der britischen Universitäten steht man natürlich recht schnell vor der Frage: Cambridge oder Oxford? Gleiches gilt für Beatles Fans, da ist die Gretchenfrage: John oder Paul? In all den Jahren habe ich mir immer Gedanken zu Cambridge und Oxford gemacht. Cambridge hat das schönere Motto. Cambridge hat Stephen Hawkings und Isaac Newton, Oxford dafür Richard Dawkins und JRR Tolkien. Akademisch sind die beiden Universitäten absolut identisch. Sie sind beide die Spitze der Spitze des Eisbergs. Als wahrer Fan der Briten und deren Academia musste ich mich aber für eine der beiden Universitäten entscheiden. Das gehört sich so. Und so entschied ich mich, obwohl ich nie eine der beiden Universitäten gesehen hatte, für das Team Cambridge. An meinem ersten Tag hatte ich daher unglaublich große Hoffnungen und Erwartungen an Cambridge, die aber auch erfüllt wurden. Für Oxford hatte ich dann keine allzu großen Erwartungen mehr. Ganz salopp gesagt: es war ja „nur“ Oxford.

Als ich aus dem Zug aussteige merke, ich schnell, dass ich mich geirrt habe. Das ist nicht nur Oxford, das ist Oxford. Die Stadt verzaubert mich direkt. Verzaubert ist übrigens die richtige Wortwahl, da hier auch für die Harry Potter Filme gefilmt wurde. Selbst wenn ich ehrlicherweise gestehen muss, dass ich bei der Thematik nicht allzu belesen und wissensfest bin.

Was mach ich nun also mit meiner Entscheidung? Ich war immer im Team Cambridge und da steh‘ ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor! Oxford hat sofort mein Herz erobert und dabei bin ich nicht mal bis zur Universität vorgedrungen. Im Ende sind all die rationalen Gedanken und Überlegungen wertlos, denn das Einzige, was zählt, ist das Herz und das, was man fühlt.

Ein bisschen sauberer könnte der Fluss aber schon sein
Liebe auf den ersten Blick

Die Stadt hat aber auch das wahnsinnige Glück, dass die Sonne heute so unfassbar schön scheint. England ist nur grau und verregnet. Das hört man immer. Aber bis jetzt kann ich das noch nicht bestätigen. Das seichte Schimmern der Sonne verleiht der Stadt eine ganz besondere Atmosphäre. Alles wirkt so weich, sanft und wolkig. Die religiöse Prägung der Universität passt erstaunlich gut zu dieser himmlischen Leichtigkeit. Die Sonne bringt die passenden Heiligenscheine dazu mit.

Dominus Illuminatio Mea

Es gibt zwei Dinge, die die Briten abgöttig lieben. Das Erste sind die Briten selbst. Patriotismus ist wohl die britischste aller Tugenden. Selbst wenn das nicht immer zu den schlausten Entscheidungen führt, aber ich verdränge einfach das ganze Brexitthema bevor ich mich wieder aufrege. Das Union Jack weht auf jeden Fall sehr häufig im britischen Winde. Das Zweite sind Säulen. Briten lieben Säulen. Daher findet man sie auch in jeder britischen Stadt in hoher Quantität.

Rule Britannia
Säulen sind aber auch schon eine sehr schöne Sache

Mitten an der Hauptstraße finde ich dann aber eine kleine Oase der Ruhe. Eine kleine Kirche, deren Namen auch eigentlich nichts zur Sache tut, teilt die Hauptstraße in 2 Teile auf. Das Grün vor der Kirche und die kleine Kirche bilden zusammen eine Harmonie der Ruhe. Es ist so harmonisch, dass der Lärm der Straße gar nicht mehr in das Gewicht fällt. Es ist so ruhig, dass selbst der Friedhof gar nicht die Aura eines Friedhofs hat, sondern die Ausstrahlung eines Rückzugsortes für Ruhe und Besinnung. So sehr ich meine Reisen auch liebe, so sind sie doch auch immer etwas anstrengend und daher freue ich mich immer noch ein bisschen mehr über einen Ort der Ruhe und Gelassenheit.

St Giles‘ Church

Ich bin mittlerweile fast am Herz der Universität angelangt. Bei einer Universitätsstadt wie Oxford ist die ganze Stadt allerdings mehr Universität als Stadt. Ein Herz der Universität gibt es daher eigentlich gar nicht.

Vorboten des Herzens

Natürlich gibt es auch hier – wie in Cambridge – ganz viele kleine Gassen, die Teil des Campus sind. In diesem Labyrinth scheint man sich im Glück fast zu verlaufen.

Labyrinthe des Glücks

Nach den Wirren der Koronararterien gelange ich auf die große Aorta Oxfords – die High Street. Die „Prunkstraße“ vereint nahezu alles Schöne, was diese Stadt zu bieten hat und bereitet gut auf das Highlight Oxfords vor. Man darf beim Reisen aber sich nie nur auf das Highlight konzentrieren. Auch der Weg dahin und alles davor sind oft genau so schön wie das Highlight, wenn nicht manchmal sogar schöner!

Der Frühling naht
Auch in Oxford ist das Fahrrad häufig anzutreffen

Das Herz einer jeden Universität ist natürlich die Bibliothek. Selbst, wenn man als Tourist keinen Einlass in Radcliffe Camera erhält, so ist diese Bibliothek auch von außen mehr als nur wunderschön. Aber es ist nicht nur dieser Rundturm, der so schön ist. Es ist das ganze Ensemble, was diesen Ort so zauberhaft magisch macht.

Pure Magie

Das schöne am Reisen ist ja, dass man selbst ungefiltert Dinge erlebt. Ich erlebe jetzt ganz ohne Filter Oxford und bin direkt verliebt in diese Stadt. Dabei dachte ich vor 6 Stunden noch, dass Cambridge meine Liebe ist. Der eigene Eindruck ist aber am Ende das, was zählt. Und auch die Reiseberichte eines Sehnsuchtsbummlers können die Wahrheit nie vollkommen darstellen. Sie sind immer ein leicht verzerrtes Spiegelbild der Realität. Aber ich versuche zumindest nicht ein Spiegel des Spiegels zu sein. Ich will ganz ungefiltert mein Glück und Leid mit euch teilen. Daher sind Filter für meine Bilder ein Tabu. Aber auch ich vernachlässige manchmal meine Prinzipien und teste Filter aus. Und so gibt es auch beim Sehnsuchtsbummler mal das Spiegelbild des Spiegelbilds.

Spieglein, Spieglein an der Wand

Was bleibt jetzt am Ende von Oxford? Glück, Freude und Zufriedenheit. Und eine schöne Erinnerung. Sogar eine physische Erinnerung, denn die Wasserflasche des Sehnsuchtsbummlers wird von nun an auf ewig mit dieser Stadt verbunden sein.

Nun aber zurück in den Zug. Ich hatte Latein als Prüfungsfach im Abitur und ich mochte Latein wirklich sehr. Die Römer sind daher auch ein fester Bestandteil auf meiner Liste der Dinge, die ich toll finde. Daher freue ich mich auch umso mehr, wenn ich jetzt im Zug nach Bath sitze. Jener Stadt, die so römisch ist wie keine andere britische Stadt.

Der Bath Stone, ein ganz bestimmter Kalkstein, dominiert das Stadtbild und ist so die Brücke zwischen römischer und Georgian Architektur. Dieses helle sandsteinfarbene Beige ist so prägend und charakteristisch für eine Stadt, die auf den ersten Blick ganz unscheinbar wirkt. Aber jetzt erstmal zu den ganz wichtigen Sachen des Lebens – ab zu den Römer!

Aquae Sulis so nannten die Römer diese Stadt. Tief im kalten und verregneten Britannien entdeckten sie einen Ort, der ihnen ein bisschen das Gefühl von Heimat gab. Warmes Wasser, das nie versiegen mochte. Ein Ort der Wärme, Geborgenheit und Heilung. Aquae Sulis wurde so schnell zum Sehnsuchtsort der Römer, die hier stationiert waren. Die Römer erkannten vor allem auch die heilende Wirkung des Wassers beziehungsweise auch der allgemeinen Hygiene. Im düsteren Mittelalter ging diese Erkenntnis etwas unter, bis schließlich die große Elizabeth I Bath zu neuer Größe als Kur-Stadt Englands brachte. Das Kurwesen boomte in den folgenden Jahrhunderten so stark, dass es fast bedeutender als die römische Zeit war. Für die große Tradition dieses Kurbades ernannte die UNESCO Bath zusammen mit anderen europäischen Kurbädern wie Baden-Baden oder Marienbad zum UNESCO-Welterbe. Aber nun wieder zu den wichtigen Dingen!

Faber est suae quisque fortunae. – Appius Claudius Caecus

Allein der Eingangsbereich des Bades ist unfassbar imposant, weitläufig und natürlich voller Säulen. Im Bad selbst erlernt man auf’s neue die Genialität der Römer und wird von dieser Hochkultur vor 2.000 Jahren erneut fasziniert.

Memento mori. – Persius

Das Heilwasser kann man übrigens auch trinken. Es schmeckt scheußlich.

Vom römischen Bad kann man auch sehr schön die Abteikirche Baths betrachten. Für anglikanische Verhältnisse ist sie sogar recht imposant und hat auch sehr schöne buntverzierte Glasfenster.

Erleuchtung oder Erlösung

Die Kurstadt kommt auf den Straßen dann doch häufiger durch, als mir lieb ist. Die Stadt wirkt irgendwie etwas elitär, zu elegant und überheblich. Aber das gehört zu solchen Städten eben irgendwie dazu.

elitär
elegant
überheblich

Zum Glück entferne ich mich jetzt etwas vom Zentrum und stoße zu den etwas abgelegeneren Teilen der Stadt vor. Selbst, wenn das bedeutet, dass ich so manchen Höhenmeter aufnehmen muss.

Bath ist aber nicht nur für Bäder und Römer bekannt. Das Stadtbild besitzt auch eine einzigartige Architektur, die den Prototyp der „Georgian architecture“ darstellt. Ich bin kein Architekt oder Kunsthistoriker, daher kann ich euch jetzt leider nicht erklären, was das bedeutet. Seht und staunt einfach selbst! Das erste Beispiel für diese Architektur ist ein berühmtes Rondell mit dem Namen Circus. Es ist so britisch, wie etwas britisch sein kann. Die Säulen, die schwarzen Zäune, die Türen, die Kellerwohnungen, die kleine Brücke, die Farbe der Gemäuer, die Ordnung und die Bäume dafür. Es ist dieses „Britische“, was ich an dieser Insel so liebe. Dieser Prototyp der britischen Architektur steht mehr als nur symbolisch für die Britischen Inseln.

Ach George!

Wenn wir dann schon bei runden Dingen sind, so sei an dieser Stelle mal erwähnt, dass Herrschel in Bath den Planeten Uranus mit all seinen 13 Ringen entdeckte.

Das nächste Beispiel für diese Architektur ist der Royal Crescent. Dieser Halbmond ist vom Victoria Park umringt, in dem die Bewohnerinnen der Stadt versuchen, die letzten Strahlen der Sonne am Abend zu genießen. Die Form des Gebäudes erinnert auch daran, dass die Normannen ursprünglich aus der Heimat des Croissants kommen.

Die Sonne genießen und…
… kurz Kraft tanken

Mein Hostel ist diesmal nicht ganz so zentral. Um genau zu sein, sind es 2,7 Kilometer, bis ich da bin. An sich eine akzeptable Distanz. Was ich aber definitiv nicht beachtet habe, sind die Höhenunterschiede. Es ist der dritte Tag der Reise. Es sind jeden Tag mindestens 25.000 Schritte. Bei jedem Höhenmeter merke ich die vorherigen Schritte umso mehr. Der Blick über den Avon auf die Pulteney Bridge erleichtert den Schmerz zumindest etwas.

Let us not desert one another; we are an injured body.

Nennenswert ist übrigens auch, dass die englische Nationaldichterin Jane Austen in Bath für einige Jahre lebte. Sie hasste diesen Ort aber. Ihr berühmter Roman Northanger Abbey spielt trotzdem in Bath.

Nach einer ganzen Weile – und einem Zwischenstopp bei Tesco für mein Abendessen – möchte ich einen kleinen Kanal über eine kleine Brücke überqueren. Doch vor der Brücke gibt es eine noch kleinere Treppe nach unten. Meine Intuition sagt mir, dass ich nach unten gehen solle. Und wenig später werden meine Augen für das Leid meiner Beine fürstlich entlohnt.

EIne kleine Auszeit der Ruhe und Gelassenheit

Auf den letzten Metern nehmen die Höhenmeter zu. Ich stehe kurz vor dem Ziel. Da bahnt sich ein Weg auf eine Lichtung des Bathwick Hills an. Ich bin zwar schon wirklich erschöpft, aber die Schritte lohnen sich. Eine Bank, eine traumhafte Wiese, eine grandiose Aussicht und vor allem ein Sonnenuntergang! Was will ich mehr? Ich liebe Sonnenuntergänge ja schon sehr. Und so schmeckt das Abendessen gleich besser!

Einfach nur schön

Den ganzen Sonnenuntergang kann ich leider nicht erleben, ich will dann doch irgendwann ins Hostel. Die letzten Meter gehen nämlich stark bergauf. Und dann finde ich es. Ein kleines Häuschen mitten im Wald, erleuchtet von den letzten Strahlen der Abendsonne. Mein Zimmer ist natürlich ganz oben und die letzten Treppenstufen schmerzen besonders. Aber im Bett angekommen kann ich eine traumhafte Aussicht genießen. Der Tag endet einfach perfekt.

Wo bin ich denn hier schon wieder gelandet?
Abendlich strahlt der Sonne Augen
Gute Nacht

Um meine Fragen am Anfang aber zu klären, ja es kann auch nach den schönsten Erlebnissen noch neue schöne Erfahrungen geben. Alles andere würde das Leben ja langweilig machen.

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12 Kommentare zu „Per Interrail durch England III/IV – Oxford & Bath

  1. Danje für fuesen wunderschönen Text, der in mir (wieder einmal) die Briten Sehnsucht im Allgemeinen und die England Sehnsucht im Speziellen weckt. Ich will da unbedingt wieder hin. Aber zuvor geht es nächste Woche mal nach Irland 😃🇮🇪

    Gefällt 2 Personen

    1. Die Sehnsucht kann ich sehr gut nachvollziehen 😊 Aber auf die Reise nach Irland bin ich fast ein bisschen neidisch, da will ich auch mal wieder hin. Viel Spaß auf jeden Fall auf der grünen Insel 😊

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  2. Danke für den wunderschönen Text, der in mir wieder ei mal die Britensehnsucht im Allgmeinen und die Englandsehnsucht im Speziellen weckt. Will wieder hin! Aber jetzt geht es mal nächste Woche nach Irland 😃🇮🇪

    Gefällt 1 Person

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