Monumental, erdrückend, befreiend, erlösend – so lässt sich diese Stadt wohl am besten beschreiben. Bayreuth ist eine Stadt, die auf zwei Fundamenten steht. Es ist die imposante Barockstadt und es ist die Stadt Richard Wagners. Es ist eine fulminante Kombination, die bei mir eine wahnsinnig große Begeisterung auslöst.
Nass und eher grau. So lässt sich aber der Anfang dieser Reise beschreiben. Die letzten Stunden hat es nur geregnet. Aber in dem Moment, indem wir die Füße aus dem Auto setzen, hört es auf zu regnen. Das erste Ziel ist die Eremitage. Den Anfang macht dort der Kanalgarten. Es ist ein großer Garten mit viel Grün, Bäumen und Wasser. Aber es ist kein freier Garten. Er ist symmetrisch und durchgeplant – so wie es eben für den Barock typisch ist. Durch lange grüne Gänge kann man gefühlt endlos geradeaus laufen, aber eben nur geradeaus. Man befindet sich zwar in der Natur, aber die Freiheit fehlt noch.

Es geht weiter zum Neuen Schloss in der Eremitage. Es ist ein imposantes Gebäude, welches den Prunk des Barocks auf die Spitze treibt. Zahlreiche Säulen und goldene Statuen untermauern den monumentalen Charakter des Gebäudes. Es ist schön anzusehen, aber die nähere Umgebung besteht fast ausschließlich aus Wald. Es fühlt sich irgendwie falsch und deplatziert an. Es ist ein starker Kontrast, worauf aber die ganze Stadt aufbaut.

So wie es sich für den Barock gehört, gibt es zahlreiche Brunnen und Statuen im künstlichen See. Das vergrünte Wasser verstärkt nur den Kontrast. Das beeindruckende an dem Schloss ist aber der Blick auf das genaue Detail. Wenn man die Säulen im Detail betrachtet, erkennt man, dass sie aus zahlreichen kleinen bunten Steinen bestehen. Es ist ein kleines Kunstwerk und eine Leistung, die wahrscheinlich unzählige Arbeitsstunden beinhaltete. Das Spiel mit den vielen bunten Steinen ist ein absolut sehenswerter und wunderschöner Anblick.

Es geht weiter zum Alten Schloss, was jetzt weniger prunkvoll ist. Den Barock erkennt man aber auch hier. Der Garten ist sehr groß und mit vielen schönen Blumen verschönert aber das Symmetrische stört die Schönheit der Freiheit.

Das viel Schönere an diesem Ort ist die Aussicht in die Umgebung. Die Schlösser sind auf einem kleineren Hügel gelegen. Beim Blick in die Ferne kommt die Romantik der Stadt so langsam zum Vorschein.

Die Eremitage ist von viel Wald umgeben. Und durch mittlerweile strömenden Regen laufen wir durch die Stille des Waldes. Das Areal ist unglaublich weitläufig. Mitten im Wald kommt die Untere Grotte zum Vorschein. Die Natur hat diese Stelle übernommen. Der barocke Bau wird in den Hintergrund verdrängt und es wirkt eher wie ein zutiefst romantischer Bau. Die Verbindungen zwischen dem Vergangenen und der Natur ist ein herzerwärmender Anblick.

Nach einiger Zeit und zahlreichen zurückgelegten Metern im Wald verlassen wir schließlich die Eremitage. Es geht weiter zu meinem persönlichen Höhepunkt der Reise.
Man muss als Disclaimer vielleicht dazu sagen, dass ich ein großer Verehrer der Musik Richard Wagners bin. Die folgenden Eindrücke sind daher noch subjektiver als sie es ohnehin schon sind.
Der Grüne Hügel ist einfach ein märchenhaftes Paradies. Der romantische Bau und die bunten Blumen und der Gedanke an die herrliche Musik, die dort gespielt wird, machen den Ort perfekt. Nach der starren Symmetrie wird hier die Seele befreit.

Beim Besichtigen des Areals wächst natürlich die große Sehnsucht, eines Tages hier, auch als Gast zu sitzen. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Dieser Ort hatte auch schon wesentlich düstere Tage gesehen, aber das ist mir in diesem Moment egal. Manchmal muss man einfach die Dinge genießen, ohne sich dabei zu viele Gedanken zu machen. Hier ist es einfach traumhaft!

Es geht dann weiter in die Bayreuther Innenstadt. Wir befinden uns wieder im Zentrum des Barocks. Das Ambiente ist monumental, imposant und nahezu erschlagend. Die Atmosphäre der Stadt ist durch die hellen Sandsteine geprägt.

Jetzt geht es zum Markgräflichem Opernhaus, welches auch UNESCO-Weltkulturerbe ist. Von außen scheint es gar nicht so imposant. Das ändert sich aber sobald man das Gebäude betritt.

Der Innenraum ist wahnsinnig pompös. Kunstvolle Gemälde und Verzierungen stehen hier im Mittelpunkt. Es geht hier nicht um die Musik, hier geht es um den Prunk. Es ist leicht zu verstehen, warum Wagner hier nicht gerne spielte. Ihm ging es um seine Musik und was sie mit dem Menschen macht. In diesem Opernhaus geht es aber nicht darum, hier geht es um Prunk und die damit verbundene Darstellung von Macht. Das Opernhaus ist eine architektonische und künstlerische Meisterleistung. Aber es ist ein Opernhaus, hier geht es um musikalische Meisterleistungen. Im Festspielhaus sitzt man zwar auf Holzbänken, dafür kann man eine weltberühmte Akustik erleben.

Und nun ein klein bisschen Bildung: Das Opernhaus gibt es nur dank Wilhelmine von Preußen. Die Lieblingsschwester des preußischen Königs Friedrich des II. wurde mit dem Bayreuther Fürsten verheiratet. Da sie Preußen aber ungern verlassen wollte, bekam sie von ihrem Bruder und ihrem Ehemann als quasi Wiedergutmachung dieses Opernhaus geschenkt, dessen künstlerische Leiterin sie war.
Und so geht mein Weg jetzt weiter durch diese Stadt. Die ganze Altstadt ist im barocken monumentalen Charme. Sie strahlt eine beschwerende Aura aus.

Diese erdrückende Imposanz, die einen ganz eigenen Charme hat, wird dann aber befreit. Denn hinter dem Neuen Schloss beginnt ein traumhaftes Paradies – der Hofgarten. Das viele Grün lässt die Freiheit wieder einziehen und erweckt die Sehnsucht zu neuem Leben. Mein Herz geht wieder auf. Der Park strahlt eine so wunderschöne Leichtigkeit aus, dass die vorherige Schwere verfliegt.

Jede Freude füllt, jeder Schmerz leert dich, aber in jener hat noch Sehnsucht Platz, in diesem noch Zuversicht.
Jean Paul

Am Ende des Parks findet sich dann aber der Weg zum endgültigen Paradies. Das Festspielhaus hat mich befreit aber die Erlösung findet sich hier. Hier steht das Haus Wahnfried. Das ehemalige Wohnhaus Wagners ist jetzt ein Museum. In dem Haus findet sich der Weg zur Erlösung.

Im Haus kann man das Leben Wagner auf interessante Art und Weise nachempfinden. Es gibt zahlreiche spannende Exponate und auch die Innenräume an sich sind schön gestaltet. Aber ich mag es kaum glauben, neben dem privaten Flügel von Wagner zu stehen.

Im oberen Geschoss befinden sich einige Exponate aus der Festspielgeschichte. Dort findet sich auch der Heilige Gral der Uraufführung des Parsifal. Der Heilige Gral steht symbolisch für die Erlösung. Die Erlösung erlebe ich dann im Keller. Dort gibt es einen Raum, wo man die göttliche und transzendente Musik Wagners in höchster Perfektion genießen kann. „f-h-dis1-a1“ – die schönste musikalische Definition von Sehnsucht, die die Romantik jemals erschaffen hat: Der Tristan-Akkord. Diese vier Noten strahlen eine so bittersüße Sehnsucht aus, das lässt sich gar nicht in Worte fassen. Neben der Sehnsucht, die mein Herz einnimmt, kommt auch wieder die Erlösung ins Spiel. Das Gralsmotiv der traumhaften Parsifal-Ouvertüre durchklingt etwas später die Luft. Es liegt eine gewisse Mystik in der Luft. Die Suche nach dem Heiligen Gral ist nicht die Suche nach der Erlösung, sondern die Suche nach einem selbst. In diesem Keller dieser ambivalenten aber wunderschönen Stadt findet man die Ergebnisse der Suche.


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Ein toller Bericht, und schöne Bilder – vielen Dank fürs mitnehmen. ☺
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Sehr gerne! Und vielen Dank für die netten Worte 😊
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viele Grüße aus Bayreuth 😉
Nanni
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