Vielseitig. So lässt sich diese Reise wohl am besten beschreiben. Eine ursprünglich als historische Entdeckungstour ausgelegte Reise im Jahr 2019 entwickelt sich binnen kürzester Zeit zu einer spektakulären Mischung aus Geschichte, sehnsuchtsbummeln in der Freiheit der Natur und französischer Eleganz & Luxus. An den rauen französischen Küsten der Normandie erlebt der Mensch, was Freiheit wirklich bedeutet.
Tag I
Endlich! Nach über 10 Stunden Fahrt sind wir an unserem Ziel angekommen. Aber anstatt direkt ins Bett zu fallen, geht es ohne Umwege in den Ort. Sainte-Mère-Église hat circa 1.600 Einwohner und ist eigentlich nicht mehr als eine Hauptstraße mit ein paar Nebenstraßen. Die ersten Häuser sind so, wie man sich ein kleines französisches Dorf vorstellt. Dieser Ort strahlt eine solche Ruhe und Gelassenheit aus, wie man sie von Frankreich erwartet. Im „Ortskern“ merkt man dann aber etwas anderes. Es gibt zahlreiche Geschäfte, die sämtlichen D-Day Merchandise, den man sich vorstellen kann, verkaufen. An jeder Laterne hängen US-Flaggen und Bilder von den Befreiern mit deren Name. Es ist schnell klar, dass sich dieser Ort und diese Region auf eins spezialisiert hat: US-Touristen. Das Ironische daran, es hängen zwar überall US-Flaggen, aber niemand kann hier Englisch. Wie gut, dass ich Latein in der Schule hatte…
Die Geschichte der Befreiung des Ortes wird im Airborne Museum ausgestellt. Dort kann man auch in einem Flugzeug stehen, aus denen die Fallschirmjäger aufbrachen, die diesen Ort befreien sollten. Eng, dunkel und beängstigend beschreibt das Gefühl in einer solchen Maschine sehr gut. Ich bin wahnsinnig froh, als ich wieder draußen an der frischen Luft bin. Vor dem Museum steht die Dorfkirche. Es ist eine wunderbare französische Kirche, die einfach zu dieser Region passt.

Manche fragen sich jetzt bestimmt, was ist das Weiße da am Kirchturm? Während jener Befreiungsaktion haben es John Steel und Ken Russel nicht geschafft zu landen. Sie verhedderten sich mit ihren Fallschirmen am Kirchturm und hingen mehrere Stunden dort. Um Ihnen zu gedenken, hängt dort eine Puppe mitsamt Fallschirm.
So nun aber genug zur Geschichte des Ortes, wir sind ja schließlich in Frankreich – im Land des Genusses und der guten Küche. Es ist 17 Uhr und wir haben Hunger. Das Problem: Alle Cafés, Restaurants und Imbissbuden haben geschlossen – alle? Nein! Ein einsamer Pizzastand leistet dem französischem Pausenwahn Widerstand. Das Problem – die Sprache. Es steht alles auf Französisch da und er kann natürlich kein Englisch. Irgendwie schaffen es mein Vater und ich eine Pizza zu bestellen. Während der Zubereitung tat der Verkäufer alles außer die Pizza zubereiten. Nach einer gefühlten Ewigkeit gibt es eine Pizza, die mehr aus Pilzen besteht als aus irgendetwas anderem. Mein Beileid an alle italienischen Leserinnen. Wieder im Hotel angekommen, stellen wir fest, dass das Restaurant des Hotels erst um halb 7 öffnet. Die Franzosen haben wohl eine andere Zeitrechnung. Das lange Warten hat sich aber am Ende gelohnt und das Essen war traumhaft!
Mein Vater und ich haben ja etwas aus der Ukraine gelernt: Nach dem lokalen Essen kommt das lokale Trinken. Mir als Hesse ist der Apfelwein natürlich heilig. Wie gut, dass die Normandie die Heimat des Cidre ist und ich kann eins ganz gut sagen: Er schmeckt einfach geil. Es ist ein wahrer Genuss! Übrigens, die Normandie ist auch Heimat des Calvados, der laut meinem Vater auch wahnsinnig gut schmecke.
Tag II
Ich schwärme selten für Essen, aber ich liebe Croissants und alle Klischees stimmen, ein Croissant in Frankreich schmeckt einfach fabulös. Der Tag ging also schon mal perfekt los! Aber was ist Frankreich ohne Baguettes? Richtig – nichts! Als Verpflegung für den Tag wurde beim Bäcker erst mal eins gekauft – natürlich mit den üblichen Kommunikationsproblemen.
Nun geht es nach Utah. Utah war einer der 5 Landungsabschnitte des D-Days. Der Weg nach Utah verläuft über Landstraßen, wobei Feldwege wohl korrekter wäre. Der Weg führt durch Orte, bei denen der Begriff Kaff eine maßlose Hyperbel wäre. Es ist diese wunderschöne ruhige Idylle, die diese Region so liebenswert macht. Man scheint die ganze Geschichte zu vergessen und kann sich einfach auf sich selbst fokussieren.
Den Landungsabschnitt erkennt man schon von Weitem. Es gibt eine große Halle und eine immense Anzahl von Flaggen und Denkmälern, die an die Bedeutung dieses Ortes erinnern. Das Museum ist ohne Frage zu empfehlen.

Nach dem Museum geht es an den Strand. Schon bei den ersten Schritten scheint man alles Vorherige zu vergessen. Die atemberaubende Schönheit erdrückt einen sofort. Der raue Küstenwind strahlt eine wahnsinnige Kraft der Freiheit aus. Man vergisst alles Schlechte, alles Vergangene und konzentriert sich einfach nur auf das Schöne.

Wir wandern am Strand entlang und wenn man nicht vorhin gelesen hätte, was 75 Jahre zuvor geschehen ist, dann würde man es kaum merken. Das Meer und der raue Wind sind die Versinnbildlichung der Sehnsucht nach Freiheit. An dieser Küste wurde nicht nur Europa befreit, sondern auch die Seelen der Besucher.
Manchmal wird man aber an die Geschichte erinnert. Neben den zahlreichen Flaggen finden sich immer wieder Trümmer des Atlantikwalls. Tonnen von Stahlbeton, mit denen der Mensch sich in der Natur der Region für immer verewigt hat.

Es ist paradox, dass an einem so schrecklichen Ort es so unfassbar schön ist. Der Weg zurück durch das hohe Gras der Dünen ist eine solche Schönheit, dass man fast ein schlechtes Gewissen bekommt, dass man an diesem Ort sich so freuen kann. Aber es geht hier eben nicht nur um eine politische Befreiung, sondern auch um die eigene persönliche Befreiung.

Die Geschichtstour geht weiter zu den Überresten der ehemaligen Küstenbatterie Crisbecq. Es ist beeindruckend und erschreckend, welche enorme Anzahl an Ressourcen hier verbaut wurden. Der Mensch hat sich hier für immer verewigt.

Dann geht es weiter zum Pointe du Hoc. An dieser 30 Meter hohen Steilküste gingen am D-Day eine Spezialeinheit US-Ranger an Land. Das ist hier aber komplett nebensächlich. Schon beim Laufen zur Küste, wird schnell die Schönheit dieser Gegend klar. Es ist eine traumhafte Aussicht bei wunderschönem Wetter.

Je näher ich an die Klippe laufe und je stärker der Wind durch meine Haare weht, umso mehr begreife ich die Freiheit. Sobald man seinen Blick vom Meer abwendet, sehnt man sich danach wieder zurückzukehren. Beim Anblick der rauen Schönheit der Natur wird schnell klar, dass das hier keine Reise durch die Normandie und die Geschichte ist, sondern vielmehr eine Reise zu einem selbst.

Nach diesen schönen Momenten geht es zu düsteren Orten. Die Befreiung Europas hatte hohe Kosten. Viele Menschen ließen ihr Leben. In La Cambe erinnert der deutsche Friedhof an die Gefallenen. Es ist ein stiller und ruhiger Ort. Der Friedhof ist einfach gehalten. Es ist ein Friedhof und nicht mehr. Im Vergleich zu den Friedhöfen der Alliierten ist das eine erwähnenswerte Tatsache.

Es geht weiter nach Saint-Lô. Im Vergleich zum bisherigen Tag ist die Stadt mit 19.000 Einwohnern eine Metropole. Die Kleinstadt fühlt sich unfassbar voll und laut an. Sie ist im Vergleich zu vorher etwas ganz anderes. Diese Region ist einfach wahnsinnig vielseitig. Die Stadt ist geprägt durch ihre mittelalterliche Stadtmauer. Wenn man sich an das Stadtklima akklimatisiert hat, kann man die Schönheit dieser mittelalterlichen Stadt durchaus erkennen.

Erwähnenswert ist auch die schöne Kirche Notre Dame von Saint-Lô. Sie fügt sich ideal in das schöne Stadtbild ein.

Tag III
Es geht nach Colleville-sur-Mer. Dort steht der aus James Ryan bekannte US-Friedhof. Der Vergleich zum deutschen Friedhof ist gewaltig. Der Friedhof wird von der US-Regierung verwaltet und das merkt man. Schon am Parkplatz wird man von Bediensteten in perfektem Englisch begrüßt. Der Friedhof selbst ist gigantisch, pompös und theatralisch. Zahlreiche Statuen, Denkmäler, Flaggen und sonstige Anlagen erinnern an die Helden. Helden – das ist das zentrale Wort. Es wird überall den Helden gedacht. Sie werden glorifiziert und patriotisiert. Die Vereinigten Staaten stehen im Mittelpunkt – nicht die Menschen.


Es sind fast 10.000 Gräber, die hier stehen. Es ist eine nahezu unbegreifbare Anzahl, die erst klar wird, wenn man den Friedhof in echt sieht und nicht in Hollywood-Filmen. Alle sehen nahezu identisch aus, alle haben die gleichen Informationen und den gleichen patriotischen Spruch. Die USA sehen hier 10.000 patriotische Helden, doch in Wahrheit sind es 10.000 Menschen und deren Schicksale, die hier liegen. So ist es mehr ein Denkmal als ein Friedhof.

Diese überwältigende Größe und die Tatsache, dass alle diese Kreuze das Ende eines Lebens mit unterschiedlichen Schicksalen darstellt, kreiert eine bedrückende Atmosphäre. Die tolle Aussicht macht die Situation nicht besser, denn unten an der Küste erkennt man Omaha Beach, den bekanntesten und blutigsten Landungsabschnitt.

Die tragischen Schicksale werden im lokalen Museum weiter vertieft. Es nimmt einen doch stark mit. Am Tag vorher konnte man die Natur genießen und jetzt ist man wieder am Boden angekommen. Aber man realisiert, wie kostbar diese Freiheit doch ist, die man hier spürt. Man lernt so, sie besser zu schätzen. Am Strand angekommen, erinnert ein großes Denkmal an jenen Tag.

Ein langer Spaziergang am Strand hilft bei der Verarbeitung der vorherigen Eindrücke. Der Atlantik ist so wundervoll, doch das Genießen fällt am Anfang noch sehr schwer. Nach langer Zeit überdeckt das Funkeln der See den Trübsal.

Die Reise geht weiter zu den Ruinen der Küstenbatterie von Longues-sur-Mer. Schon beim Durchwandern der Ruinen zieht es meinen Blick an die 300 Meter entfernte Küste. Ich bin froh, als wir nach der Anlage an die Küste gehen können. Und dann passiert etwas Zauberhaftes, alles Vorherige ist vergessen. Ich bin überwältigt von einer transzendenten Schönheit. Dieser Anblick ist die Inkarnation der Freiheitssehnsucht.

Ich klettere soweit, es geht an die Küste und stehe dann auf einem kleinen Vorsprung. Die raue Küstenluft peitscht gegen mein Gesicht. Aber ich bleibe weiter stehen, genieße den Ausblick und erfahre den Weg zur Transzendenz.


Nach meiner Ewigkeit in Freiheit geht es weiter in die 500-Seelen Gemeinde Arromanches. Es ist der dritte Landungsabschnitt: Gold-Beach. Dieser Name passt perfekt. Der Strand ist strahlend gold. Auch die Betonreste der späteren Landungsbrücke im Sand trüben diese Schönheit nicht. Alles, was man sieht, ist ein strahlender Strand. Der Ort an sich stellt die Weichen zum Übergang zu einem eleganteren Frankreich. Die Normandie ist nämlich an sich erstaunlich unfranzösisch. Es ist dieser Ort, wo die französische Eleganz und der französische Luxus das erste Mal zum Vorschein kommt und das trotz der Lage.

Das letzte Ziel des Tages ist Bayeux. Die 13.000 Einwohner Stadt fühlt sich an wie eine 130.000 Einwohner Stadt. Sie hat etwas komplett anderes. Es ist eine kleine Altstadt mit zahlreichen historischen Fachwerkhäusern und historischem Ambiente. Vom Flair ist die Stadt aber eher englisch als französisch. Sie fasziniert mich und zieht mich in ihren Bann. Nachdem wir in unserem Hotel angekommen sind, geht es direkt in die Stadt. Je länger man in der Stadt verbleibt, umso weniger möchte man sie verlassen. Dieser historische Charme ist eine bequeme Abwechslung. Ich muss mich leider wiederholen, aber diese Region ist einfach vielseitig!

Ein Highlight dieser Stadt ist die gigantische Kathedrale. Sie bildet das Zentrum der Stadt und ist kaum zu übersehen.

Das eigentliche Highlight ist aber der phänomenale Teppich von Bayeux. Es ist ein 68 Meter langer Teppich, der die Geschichte der Normannischen Eroberung erzählt. Er ist mit fast 35 Quadratmetern sogar größer als meine Wohnung! Er ist eine absurde künstlerische Leistung, die faszinierend anzuschauen ist. Und er verdeutlicht, warum die Region so englisch wirkt – die Engländer kommen ja schließlich von hier.

Tag IV
Der letzte richtige Tag beginnt absolut idyllisch. Unser Hotel ist am Rande der Stadt an einer Wiese gelegen. Und so begrüßen uns ein paar Kühe zum Frühstück. Dass es Croissants für mich gibt, muss ich wohl nicht erwähnen.

Als Nächstes geht es zum vorletzten D-Day Museum der Reise und danach zum letzten Friedhof. Es ist absurd, aber der britische Friedhof ist perfekt. Er ist schlicht, hat eine schöne Architektur und viel Natur. Aber das Wichtigste es geht hier um die Menschen und um Individualität. Jeder Grabstein ist individuell. Auf den Grabsteinen stehen individuelle Widmungen und Zitate, die an die Menschen erinnern und nicht an die Befreier. Im Vergleich ist dieser Friedhof mit Abstand der gelungenste Friedhof.

Es geht weiter zum vorletzten Landungsabschnitt – Juno. Dort wird die Geschichte der Kanadier erzählt. Geschichten, die kaum präsent sind, aber dafür umso spannender. Der Landungsabschnitt steht in Tradition zu den Vorherigen. Er ist wunderschön und lässt einen die Geschichte vergessen. Die saftig grünen Gräser der Dünen sind die schönsten, die ich jemals gesehen habe.

Der historische Teil der Reise neigt sich dem Ende zu. Es geht nach Ouistreham zum letzten Landungsabschnitt – Sword. Das Wetter ist heute noch besser als die Tage davor und unter strahlendblauen Himmel scheint ein goldener Sandstrand.

Wir laufen zur Mittagszeit über den Strand und sind sehr froh, eine kleine Imbissbude zu entdecken. An sich kein erwähnenswerter Vorfall, aber er ist es dann doch irgendwie. Die Hot Dogs, die wir bestellen, bestehen nämlich aus einem halben Baguette als Brotgrundlage. Es schmeckt gut, es fühlt sich aber irgendwie falsch an.
Die Besonderheit des Ortes ist, dass es noch einen komplett erhaltenen Bunker gibt, den man besichtigen kann. Das ist eine durchaus interessante Erfahrung.

Und jetzt folgt eine Wendung der Reise um 180 Grad. Wir verlassen den Pfad der Geschichte und der lebhaften Natur der Atlantikküste und widmen uns der französischen Eleganz, dem französischem Flair und dem französischen Luxus. Es scheint so, als würde jetzt eine neue Reise beginnen.
Es geht nach Cabourg. Cabourg ist ein kleines französisches Seebad mit einer wunderschönen Promenade und ganz viel Luxus.

Der traumhafte Strand und die wunderschönen Häuser verdrehten schon Marcel Proust den Kopf, der jeden Sommer hier verbrachte und an seinem Meisterwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ schrieb. Beim Schlendern entlang der Promenade verliert man schnell die Zeit. Und so genießt man einen wunderbaren Flair und kann einfach mal abschalten.

Das Zentrum dieses Ortes bilden aber nicht die ganzen Villen, sondern das luxuriöse Grand Hotel neben dem Casino. Es ist vom Strand kaum zu übersehen und die Straßen sind fächerartig auf das Hotel zugerichtet. Diese massive Demonstration der Eleganz ist so französisch wie mein Croissant zum Frühstück. Ich weiß nicht wirklich, was ich von dieser Lebensweise halte, aber ich kann sagen, dass der Charme des Ortes einen mit Leichtigkeit um den Finger wickelt.


Der Komparativ der Eleganz wird allerdings in Deauville erreicht. Wobei diese Eleganz sich am Anfang weniger zeigt. Es herrscht Verkehrschaos. Fast alle Straßen sind gesperrt, die Franzosen fahren eher wie Briten und alle Parkplätze sind belegt. Nach Langem hin und her findet sich ein freier Parkplatz in einem Parkhaus. Das Auto links von uns ist ein Ferrari und das Auto rechts von uns ist ein abgestelltes Segelboot. Der Charakter der Stadt wird schnell deutlich. Casinos, Rennbahnen, das Strandbad, Villen und die Promenade – hier steht der Luxus im Vordergrund und nicht die Natur oder der Mensch. Materialismus bis zur Unendlichkeit. Eine interessante, befremdliche, aber ehrlicherweise gar nicht so unschöne Erfahrung.
Es ist mittlerweile später Nachmittag und in der spätsommerlichen Sonne strahlt der Strand eine unermessliche Schönheit aus.

Die Wellen des Atlantiks ziehen einen immer wieder näher an das Wasser heran. Die Wellen verschlingen die Seele und befreit sie vom Luxus und lässt sie sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren.

Aufgrund dieser Schönheit und des Luxus‘ hat es schon viele Prominente nach Deauville verschlagen. Am Strand stehen circa 250 Umkleidekabinen und an jeder dieser Kabine steht der Name eines Prominenten, der schon mal hier war. Meine beiden Lieblingsschauspieler lassen sich natürlich auch wieder finden.


Für den Rückweg wollen wir zurück zur Hauptstraße, damit wir uns besser orientieren können. Doch es gibt da ein Problem. Ein riesiger roter Teppich ist im Weg. Denn in diesem Ort finden jährlich die amerikanischen Filmfestspiele statt und zwar genau dann, wenn wir da sind. Das erklärt das Verkehrschaos. Der Teppich ist umzäunt, damit niemand durchläuft. Um den Zaun herum ist eine Hecke. Wir schlagen uns also durch die Hecke durch. Die Security erkennt schnell, dass wir nur zwei hilflose Touristen sind und lässt uns die letzten Meter über den roten Teppich laufen. Ich kann es kaum glauben, ich laufe über denselben roten Teppich, wo am Tag zuvor der Erschaffer meines Lieblingsfilmes posiert hat. Ich stehe buchstäblich in den Fußstapfen zahlreicher Legenden der Filmkunst.

Den Superlativ des persönlichen Luxus erlebt man im Nachbarort Trouville-sur-Mer. Unserer heutigen Endstation. Die kleine Schwester von Deauville liegt direkt daneben und lässt sich bereits von Deauville aus erblicken. Zentrum des Ortes ist das Casino mit dem benachbarten Hotel – unsere Unterkunft für die letzte Nacht in Frankreich.

Die Anfahrt zum Hotel ist aus Verkehrssicht die Hölle und die Parkplatzsituation ist noch schlimmer, aber irgendwann haben wir es dann geschafft. Es geht zum Einchecken. Die letzten Nächte haben wir in kleinen billigen Hotels am Ende der Welt verbracht – wir brauchten ja nur ein Bett zum Schlafen. Das Hotel ist nun etwas anders. Beim Betreten des Hotels bin ich überwältigt. Es ist so, wie man sich ein französisches Hotel in einem noblen Seebad vorstellt. Mein Vater mahnt zur Vorsicht, denn nicht alles, was glänzt, ist Gold. Und während die Lobby den Luxus darstellt, ist das Zimmer wenig überzeugend. Die Raumaufteilung ist jenseits von Gut und Böse und funktionierende Lampen scheinen ein Fremdwort zu sein. Bevor wir wieder aufbrechen, möchten wir noch ein kleines menschliches Bedürfnis erledigen. Allerdings lässt sich nirgends eine Toilette entdecken. Die Toilette ist hinter einer Schiebetür neben dem Kleiderschrank. Sie ist de facto nur eine Erweiterung des Kleiderschranks. Das hatte ich so auch noch nie…
Nach dieser neuen kulturellen Erfahrung geht es zum wenige Meter entfernten Strand. Schon bei der Anfahrt an das Hotel hat mich ein kleiner Steg gefesselt. Jetzt, wo die Dämmerung naht, erstrahlt eine unglaubliche Schönheit. Ein Tag kann kaum schöner ausklingen als dieser!


Nach dem Spaziergang am Strand geht es zur belebten Promenade. Wir lassen den Tag noch mit einem Cidre ausklingen – Kommunikationsprobleme inklusive. Bevor es dann nach einiger Zeit zurück zum Hotel geht, verschlägt es uns noch mal zum nahegelegenen Strand. In der nahen Düsternis strahlt er umso schöner.

Am Strand verweilen wir noch einige Zeit und lassen die vergangenen Tage Revue passieren. Wir genießen dabei das schönste Naturereignis dieses Planeten – einen Sonnenuntergang.


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Dann spendiere mir doch einen Cidre, wenn du willst. Vielen Dank!
5,00 €
Chapeau – tolle Reiseerzählung! Ich habe beim Lesen gerade unsere Reisetage nochmals erlebt.
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Magnifique! Un article qui me magnétisait et cela pas seulement car il s’agit de la France. Je suis impressionée de l’art de l’écriture qui relie l’historicité avec les sentiments ressentis et avec une prise de l’humour. C’est un potpourri vraiment réussi avec des jolies photos et bien souligné avec des belles citations françaises. Pour finir, il ne me reste qu’une chose à dire:
“Le monde est un livre dont chaque pas nous ouvre une page.”
Wunderbar! Ein Artikel, der mich in seinen Bann gezogen hat und das nicht nur, weil es sich um Frankreich handelt. Ich bin beeindruckt von der Schreibkunst, die Historisches mit empfundenen Gefühlen und einer Prise Humor verbindet. Ein wahrlich gelungenes Potpourri mit traumhaften Bildern und schönen französischen Zitaten untermalt. Zum Schluss bleibt mir nur eins zu sagen: “Die Welt ist ein Buch – mit jedem Schritt öffnen wir eine Seite.”
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großartiger toller Beitrag !!!
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überaus fesselnder Reisebericht, der einen nicht mehr loslässt und tolle Bilder.
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